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Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Titel: Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
Autoren: Paul Walz
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nebenan zu schaffen. Ein Huhn gackerte und die Ziegen meckerten den Eindringling an. Dann knarrte das Tor. Gleich würde es losgehen.
    Er stand leise auf und spannte die Faust so fest um den Plastikgriff des Elektroschockers, dass seine Knochen hervortraten. Die Spannung, die den Puls beschleunigte, war groß. Nur die kommenden Stunden waren wichtig, er konnte »morgen« noch nicht einmal denken. Es galt nur das Hier und Jetzt. Vorsichtig zog er sich tiefer in den Schatten zurück, als der Alte das Tor so weit aufrollte, dass genügend Platz war, um hereinzukommen. Es war gut geschmiert und machte kaum ein Geräusch, als es zur Seite glitt. Doch plötzlich zögerte Görgen und trat wieder auf den Hof und blieb regungslos stehen. Auch er bewegte sich nicht einen Millimeter. Schweiß quoll ihm aus allen Poren und rann aus den Haaren über das geschwärzte Gesicht. Ein Tropfen rollte weiter, erreichte seine Lippen und schmeckte nach Salz. War er bemerkt worden?
    Aber dann waren sie auch im Stall zu vernehmen. Abgehackte Rufe sirrten leise durch die Luft. Kraniche. Eine Schar dieser majestätischen Tiere durchpflügte den Nachthimmel gen Norden, wo sie als Vögel des Glücks galten. Wie so manch anderer konnte sich Görgen dem Zauber der Zugvögel nicht entziehen und lauschte zu ihnen hinauf. Durch einen Spalt im Holz war sein Lächeln im schwachen Widerschein der Küche zu erkennen, als er den Kopf nach hinten bog und in die Nacht starrte. Ein Moment des Friedens noch.
    Horst Görgen riss sich von dem faszinierenden Anblick los und betrat den Stall. Seit sie ihn gebaut hatten, brannte in ihm Abend für Abend Stolz. Die Tiere konnten sich bewegen, in den Freilauf gehen oder direkt durch den Schlupf auf die Weide trotten. Einfach perfekt. Selbst den Schwalben gefiel es hier. Oben an den Balken hingen noch die Nester vom Vorjahr. Langsam folgte er dem Mittelgang und prüfte die Gatter. Wie immer hatte er das Licht ausgelassen und begnügte sich mit den Notlampen. Die Rinder traten ab und an gegen die Absperrungen oder lehnten sich daran, wodurch die Verschlüsse aufsprangen, und auch heute lohnte sich die Kontrolle. Auf der rechten Seite war ein Riegel offen. Er bückte sich ächzend und griff danach, aber etwas stimmte nicht. Der eiserne Haken hing nicht herab, sondern war über das Gatter gelegt worden. Jemand hatte ihn mit Absicht gezogen.
    Ruckartig richtete er sich auf. Die Angst, die über Wochen schon sein Begleiter war, ließ sein Warnsystem schrillen. Er hörte die leise Bewegung in seinem Rücken, doch es war zu spät. Ein kalter Gegenstand wurde ihm an den Hals gedrückt, und schon schoss ein Stromstoß in seinen Körper, der ihm einen pulsierenden Schmerz in alle Glieder jagte und sie bewegungslos machte. Wehrlos sackte er weg, nahm nur noch schwach wahr, wie ihn kräftige Hände packten und durch den Gang nach hinten schleppten, wo er achtlos einer Puppe gleich auf den Boden fallen gelassen wurde. Feine Partikel von Stroh und Heu drangen in seine Nase und reizten diese, doch Niesen war nicht möglich. Nur mühsam gelang es ihm, die Augen zu öffnen und zu sehen, wie eine dunkle Gestalt mit Seilen hantierte, nur ließ ihn sein getrübtes Bewusstsein im Stich und er verstand nicht, was vorging. Die Angst kam zurück, und er bewegte sich, wollte erkennen, wer ihn überwältigt hatte. Aber schon wurde er auf den Bauch gedreht und seine Handgelenke wurden zusammengeknotet. Etwas wurde eingehakt. Kalt und metallisch. Ein sirrendes Geräusch und seine Arme zogen ihn nach oben in ein Meer aus Schmerz, dem er nur durch den Tod entkommen würde. Später, schmerzhaft viel später.

Mittwoch
    Das erste Klingeln des Handys ignorierte Lichthaus im Halbschlaf, das zweite wurde von Claudia verstärkt, als sie ihn in die Rippen stieß. »Mach schon, ist ohnehin für dich. Los, nicht dass die Kleine wach wird.« Sie gähnte und wälzte sich zur Wand.
    Lichthaus schüttelte den Kopf und warf leise fluchend die Bettdecke zurück, setzte sich auf und griff nach dem vibrierenden Smartphone. Der Klingelton war immer noch die impertinent durchdringende Tonfolge, die voreingestellt gewesen war und er schwor sich zum tausendsten Mal, ihn zu ändern. Doch dann konzentrierte er sich. Handyanrufe in der Nacht bedeuteten Verbrechen und Arbeit für ihn und seine Mitarbeiter. Er stellte die Verbindung her. »Ja?« Sein Ton war grob.
    Eine vorsichtige Stimme drang an sein Ohr: »Entschuldige die Störung, habe ich dich geweckt?« Es war
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