Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Titel: Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
Autoren: Paul Walz
Vom Netzwerk:
Heu und Silage mit Folie abgedeckt worden, und es war eine Gasse entstanden, der sie nun folgen konnten, ohne wichtige Spuren zu zerstören. Die Kollegen hatten sich inzwischen bis ans gegenüberliegende Ende vorgearbeitet, wo sich in einem schmalen Anbau der Schweinepferch befand, den man durch eine Schwingtür aus Kunststoff betrat.
    Lichthaus und Steinrausch streiften sich nun Papieranzüge über und gingen dem Lärm nach, den die Schweine machten. Dort fanden sie gleich hinter der Tür Spleeth, der sich mit der Hand mechanisch den Mund wischte und leicht den Kopf schüttelte. Der hoch aufgeschossene, hagere Mann war in der Spurensuche und Auswertung ein Ass. Das Team wurde seit Jahren erfolgreich von ihm geleitet, doch war Lichthaus der verschlossene und oft unwirsche Kerl zutiefst unsympathisch. Lediglich dessen Fachkompetenz zollte er Respekt. Er nickte Spleeth zu, dieser reagierte aber nicht, war zu abgelenkt von dem, was er im Pferch sah.
    Den zuvor angenehmen Geruch des Stalls verdrängte hier ein übler Gestank von Blut und Urin, der schwer und metallisch in der Luft hing, und Lichthaus schwante Böses. Er beobachtete, wie zwei Mitarbeiter in weißen Anzügen mehrere Schweine durch eine Klappe in den Hof scheuchten, was ihn an einen Katastrophenfilm erinnerte, in dem Infizierte ähnlich robust zur Quarantänestation getrieben wurden. Die klobigen Tiere quittierten die Bemühungen der Männer mit heftigem Quieken und wütendem Beißen nach deren Beinen. Nach viel Gebrüll und einigen Tritten waren die Viecher draußen und hinterließen wohltuende Ruhe. Die Kollegen wischten sich den Schweiß von der Stirn, und auch Spleeth kam in Bewegung. Er trat an das Gitter des Schweinestalls. Lichthaus folgte ihm, um sich ein Bild zu machen, zuckte bei dem Anblick, der sich ihm bot, jedoch entsetzt zurück. »Mein Gott!«, entwich es ihm.
    Horst Görgen baumelte von einem Balken der Dachkonstruktion herab, der wie ein Galgen wirkte. Der oder die Täter hatten dem Opfer die Hände auf den Rücken gebunden und den vierschrötigen Mann dann an den Handgelenken nach oben gezogen, bis er frei in der Luft hing. An den Füßen war zur Beschwerung ein Betonklotz mit Griff befestigt worden, der normalerweise wohl dazu genutzt wurde, die Schwingtür offen zu halten. Die weit nach hinten gedrehten Arme waren durch das Gewicht des Körpers ausgekugelt worden, wodurch extreme Schmerzen entstanden sein mussten. Lichthaus kannte diese Foltermethode aus einem Besuch im KZ Dachau, wo man Insassen auf gleiche Art und Weise malträtiert hatte. Als Pfahlhängen bezeichnete damals die SS diese Vorgehensweise. Unter schrecklichem Leiden und zunehmender Atemnot führte diese Folter nach einigen Stunden zum Tod.
    Der Oberkörper des Toten wurde von der unnatürlichen Haltung leicht nach vorne gebeugt. Sein Kopf hing nach unten, war wegen des Zugs nach oben jedoch nicht ganz auf die Brust gesunken, wodurch sie das im Tod erschlaffte Gesicht erkennen konnten. Den Mund hatte man mit einem Klebeband verschlossen, das der Mann im Schmerz tief in die Mundhöhle eingesogen hatte. Die dünnen Haare klebten wirr am Schädel, dunkelrot durchtränkt von Blut, das sich verkrustet auch auf einem Band wiederfand, das die Augen bedeckte. Der Täter hatte Görgen weitgehend entkleidet und brutal gefoltert. Striemen von Schlägen, die zu dunklen Hämatomen aufgelaufen waren, überzogen die Haut wie eine Landkarte.
    Ein Wind fuhr durch die offene Luke in die Stallung und ließ die Leiche sanft schwanken. Das Seil knarzte leise am Balken. Lichthaus sah nun auch Rücken und Hinterkopf, die wie der übrige Körper massive Gewaltspuren aufwiesen. Ein Ohr war stark eingerissen und blau unterlaufen, der Nacken zu einer dicken Beule angeschwollen. Gleich unter dem Leichnam hatte sich eine jetzt verschmierte Blutlache gebildet, die angetrocknet war. Anscheinend hatten sich die Schweine hieran zu schaffen gemacht, da sich überall im Pferch, der im Gegensatz zum Rest des Stalls nicht mit Heu ausgestreut war, braunrote Hufspuren fanden. Görgens rechtes Hosenbein war von der Leiste abwärts dunkel verfärbt. Der Anblick ließ Lichthaus’ Magen schmerzen, ein Ziehen, das er schon lange kannte. All seine Routine konnte nicht immer verhindern, dass er sich in den Toten, in dessen Sterben hineinfühlte. Manchmal versagte der professionelle Schutzschild eben. Horst Görgens Tortur ging ihm nahe, erfüllte ihn mit der grauenvollen Vorstellung des Hängens und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher