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Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)

Titel: Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
Autoren: Paul Walz
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alles, was ich Ihnen sage, dieser Reporterin weitergeben. Sie kann dann die wahren Begebenheiten veröffentlichen. Die Welt soll mich verstehen und nicht als das Monster sehen, als das ich im Augenblick erscheine.«
    Lichthaus verstand. Der letzte große Auftritt, die ungeschminkte Wahrheit eines Verrückten, der immer noch glaubte, Verständnis oder Beifall für seine grauenhaften Taten zu ernten. Die Menschen würden in ihm nur den Schlächter erkennen, nie die seelischen Qualen, die ihn zu seinen Morden angetrieben hatten. Doch er nickte, und Bläske begann.
    »Wir haben keine Kinder, wissen Sie, da konzentriert man sich nur auf den anderen. Glauben Sie an Liebe auf den ersten Blick?« Er wartete nicht auf die Antwort. »Ich schon. Meine Ute ist mir da drüben in Klüsserath auf der Dorfdisko begegnet. 1970. Ich sehe sie vor mir, mit Schlaghose und hautengem Pulli, als die Mädchen ansonsten brav in Rock und Bluse dahergekommen sind. Eine nussbraune Mähne, die sie hin und her geworfen hat. Sie hat wie verrückt auf Led Zeppelins Whole Lotta Love getanzt. Toll! Die Jungs haben sie umkreist wie Motten das Licht. Ich hab sie gesehen und bin auf der Stelle verliebt gewesen, aber auch total von der Rolle, als sie plötzlich zu mir herübergekommen ist und ein Gespräch begonnen hat. Hat die anderen Kerle wie Idioten einfach stehenlassen, um mit mir zu quatschen. So ist sie gewesen – spontan und direkt.« Er hielt beim Blick in die Vergangenheit kurz inne.
    »Wir sind seit dem Abend zusammen. Über vierzig Jahre. Zum Schluss hatte sie keine Haare mehr von all den Medikamenten. Diese Schmerzen, diese unendlichen Schmerzen in völliger Hoffnungslosigkeit. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum ausgerechnet sie? Wollte, musste verstehen, was die Ursache für diese Qual gewesen ist, und habe mich auf die Suche gemacht. Habe nach den üblichen Quellen einer Immunschwäche geforscht. Letztendlich bin ich auch auf Dioxin gestoßen, als ich aber offiziell nachgefragt habe, ob bei feedstuffPRO etwas vorgefallen sei, hat man mich abgewimmelt. Da seien nie Untersuchungen gelaufen und außerdem sei der Laden ohnehin in Liquidation. Also hab ich irgendwann aufgegeben. Pech war es gewesen, einfach nur Pech. Wir haben das akzeptiert, wie wir unsere Kinderlosigkeit akzeptiert hatten, und haben den Kampf mit ihren Krankheiten aufgenommen. Sie wollte nicht gehen und mich allein zurücklassen, hat sich bis letzte Woche tapfer gewehrt.« Er schwieg und wischte sich mit einer Hand die Tränen aus dem Gesicht.
    Lichthaus nutzte die Pause: »Wollen Sie nicht auf meine Seite des Geländers kommen? Wenn Sie so dastehen, macht mich das unheimlich nervös.«
    Bläske lachte nur trocken auf. »Sie waren hart im Nehmen, da reicht es auch noch für den Rest.« Er schaute Lichthaus glasklar in die Augen. »Ich hätte Ihrer Familie nie etwas angetan, niemals. Sie sind ohne Schuld.«
    »Und das können Sie beurteilen?«
    Er schrie so wütend zurück, dass die Adern an seinem Hals wulstig hervortraten: »Ja, oh ja, das kann ich!«
    »Nein. Sie üben Rache, befriedigen nur Ihren Hass, das hat nichts mit Recht und Gerechtigkeit zu tun.«
    »Mein Gott, ein Heiliger. Was hätten Sie mit mir gemacht, wenn Ihre Frau tot im Keller gewesen wäre und nicht dieses widerliche Weib?«
    Lichthaus schwieg.
    »Sie messen mit zweierlei Maß, Herr Kommissar! Görgen ist damals oft zu mir gekommen und hat seine Lebensbeichte runtergeleiert. Ute ist zu der Zeit in Bernkastel-Kues zur Kur gewesen, da ist er so etwas wie eine willkommene Ablenkung gewesen. Ich habe dem Gewinsel meistens nur halb zugehört, aber plötzlich hat er von feedstuffPRO und der Verseuchung mit Dioxin angefangen und wie sie das schließlich mit ihren politischen Kontakten vertuschen konnten. Er, Kaiser und der Kerl, der schon tot gewesen ist. Ich habe ihn angestarrt, und der Hass ist in mir hochgekommen wie ein heißer Geysir. Es hat mich unglaubliche Beherrschung gekostet, ihn nicht gleich abzuschlachten. Dieses selbstmitleidige Schwein sitzt vor mir und jammert über die Soße seines verkorksten Lebens, die er selbst angerührt hat.« Bläske brüllte seine Wut nun heraus. »Wir haben uns nie etwas zuschulden kommen lassen.« Auf einmal begann er zu weinen. »Ute hat so gelitten, nur weil diese Typen sie in eine vergiftete Fabrik zur Arbeit geschickt haben. Doch sie sind tot, alle tot und bestraft.« Bläske verstummte, schien abzudriften, ignorierte die Tränen, setzte neu an: »Ute ist
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