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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino
Autoren: Umberto Eco
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geschwächt, vielleicht hatte er Fieber. Was tut man, wenn man nachts mit Fieberschauern aufwacht? Man versucht sich besser zuzudecken, aber wenn man Fieber hat, friert man auch unter den Decken. Dein Kaiser hat den Kamin angezündet. Danach hat er sich noch schlechter gefühlt als vorher, ihn überkam die Angst, er sei vergiftet worden, und da hat er sein unnützes Gegengift getrunken.«
    »Aber warum hat er sich noch schlechter gefühlt?«
    »Hier bin ich mir nicht mehr sicher, aber wenn man's genau bedenkt, sieht man gleich, daß es nur eine Antwort geben kann.
    Beschreib mir noch einmal diesen Kamin, so daß ich ihn gut vor mir sehen kann.«
    »Da waren runde Holzscheite auf einem Bett aus Reisig, da waren Zweige mit wohlriechenden Beeren... und dann Brocken einer dunklen Materie, ich glaube, es war Kohle, aber überzogen mit etwas Öligem...«
    »Das war Naphtha, auch Bitumen genannt, eine Substanz, die sich in großen Mengen zum Beispiel in Palästina findet, im sogenannten Toten Meer, wo das, was du für Wasser hältst, so dicht und schwer ist, daß du in jenem Meer nicht versinkst,
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    sondern oben schwimmst wie ein Boot. Plinius schreibt, daß diese Substanz eine so enge Beziehung zum Feuer hat, daß sie es, wenn sie ihm nahe kommt, auflodern läßt. Was die Kohle angeht, so wissen wir alle, was sie ist, wenn man sie, wie ebenfalls Plinius schreibt, aus Eichen gewinnt, indem man frische Zweige in einem Meiler verbrennt, das heißt in einem konusförmigen Haufen mit einem Überzug aus nasser Tonerde, in die Löcher gemacht worden sind, damit die ganze
    Feuchtigkeit während der Verbrennung abziehen kann. Aber manchmal wird das auch mit anderen Hölzern gemacht, deren Eigenschaften nicht immer bekannt sind. Nun haben viele Ärzte beobachtet, was geschieht, wenn man die Dämpfe einer
    schlechten Kohle einatmet, zumal wenn sie durch die
    Vereinigung mit bestimmten Arten von Bitumen noch
    gefährlicher wird. Es strömen dann giftige Dämpfe aus, die viel subtiler und tückischer sind als der Rauch, der sichtbar von einem Feuer aufsteigt, so daß es genügt, ein Fenster zu öffnen, um ihn loszuwerden. Diese Dämpfe dagegen sind unsichtbar, sie verbreiten sich im Raum, und wenn er geschlossen ist, stauen sie sich. Man könnte sie zwar bemerken, denn wenn diese
    Ausdünstungen in Kontakt mit der Flamme einer Öllampe
    kommen, färbt sich die Flamme blau. Aber meistens bemerkt man sie erst, wenn es schon zu spät ist und dieser üble Atem bereits die reine Luft ringsum verpestet hat. Der Unglückliche, der diese mephitische Luft einatmet, verspürt eine große Schwere im Kopf, hört ein Sausen in den Ohren, glaubt zu ersticken, sein Blick trübt sich... Lauter gute Gründe, sich für vergiftet zu halten, also ein Gegengift zu trinken, und so hat es dein Kaiser getan. Aber wenn man, nachdem man diese Übel verspürt hat, nicht sofort den verpesteten Raum verläßt oder von jemandem herausgeholt wird, passiert noch Schlimmeres. Man fühlt sich von einer bleiernen Müdigkeit erfaßt, man sinkt zu Boden, und in den Augen derer, die einen hinterher finden, erscheint man tot, ohne Atem, ohne Farbe, ohne Puls- und
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    Herzschlag, die Glieder starr und das Gesicht leichenblaß...
    Auch der erfahrenste Arzt wird glauben, einen Toten vor sich zu haben. Man weiß von Personen, die in solchem Zustand
    begraben worden sind, während es genügt hätte, sie mit kalten Kopf Umschlägen und Fußbädern zu behandeln, sie am ganzen Leib mit belebenden Ölen einzureihen...«
    »Willst du mir«, unterbrach ihn da Baudolino, bleich wie das Antlitz Friedrichs an jenem Morgen, »willst du mir etwa sagen, daß wir den Kaiser nur für tot hielten und daß er in Wahrheit noch lebte...?«
    »So gut wie sicher, mein armer Freund. Er starb, als er in den Fluß geworfen worden war. Das eisige Wasser hatte in gewisser Weise begonnen, ihn wieder zum Leben zu erwecken, und das hätte sogar eine gute Kur sein können, aber er hat, noch bevor er wieder zu Bewußtsein kam, wieder zu atmen begonnen, dabei hat er Wasser geschluckt und ist ertrunken. Als ihr ihn ans Ufer gezogen habt, müßtet ihr gesehen haben, ob er das Aussehen eines Ertrunkenen hatte...«
    »Er war aufgedunsen. Ich wußte, daß es nicht sein konnte, und hielt es für eine Einbildung angesichts dieser zerschundenen und zerschlagenen Reste...«
    »Ein Toter bläht sich nicht auf, wenn er unter Wasser liegt.
    Das geschieht nur bei einem Lebenden, der unter Wasser stirbt.«
    »Dann
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