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BattleTech 35: Höhenflug

BattleTech 35: Höhenflug

Titel: BattleTech 35: Höhenflug
Autoren: Nigel Findley
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die ihr bis ins Herz und bis in die Gedanken blicken konnten. Die Vorhänge waren halb zugezogen, aber selbst im Zwielicht des Schlafzimmers strahlten diese Augen Kraft und Zuneigung aus. Samantha zwang sich ein Lächeln aufs Gesicht und konzentrierte sich auf diese Augen.
Denn sie waren das einzige an Jim Dooley, was vertraut schien. Der Krebs, mit dem er kämpfte, hatte seinen Körper ausgemergelt. Er war nur noch die Hülle eines Menschen, winzig gegenüber dem Stahlrahmen des Krankenhausbetts, das sein geliebtes schweres Eichenbett ersetzt hatte. Eingefallene Wangen, dunkle Ringe unter den Augen, spärliche Strähnen schweißnassen Haars auf einer pergamentenen Kopfhaut, die Gesichtshaut wie dünnes Leder über seine schweren Knochen gespannt. Sie erinnerte sich daran, wie er bei ihrem letzten Besuch ausgesehen hatte: gebräunt, wettergegerbt, ein großer, stämmiger Holzfällertyp, der leicht zwanzig Jahre jünger als die zweiundsiebzig Jahre aussah, die er zählte. Jetzt schien er zwei Jahrzehnte älter, als er tatsächlich war.
Eine Hülle, dachte Sam, mehr ist er nicht mehr. Eine leere Hülle, ausgelaugt und leergesogen. Der
    Krebs, der sich durch seine Knochen fraß, hat sein Fleisch verzehrt, seine Muskeln dahinschmelzen lassen, seine Haut in brüchiges, altes Papier verwandelt. Aber was sind Fleisch und Muskeln und Haut schon wirklich? fragte sie sich in Gedanken. Ist das alles, was einen Menschen ausmacht? Natürlich nicht.
    Sie sah ihren Großvater noch einmal an, und es schien, als sähe sie ihn zum ersten Mal. In gewisser Weise war es fast, als hätte die Auszehrung ihn geläutert, alles Unwichtige weggebrannt. Alles, was nicht wesentlich für ihn ist, dachte sie. Sie konnte sich beinahe vorstellen, daß er in einem inneren Licht erstrahlte, einem Licht, das man nicht mit den Augen sehen, sondern nur mit dem Herzen fühlen konnte. Sie glaubte die Fieberglut der Krankheit zu spüren wie die Hitze eines fernen Scheiterhaufens auf ihrem Gesicht. Aber da war noch mehr, ein reineres Glühen, das gegen die Glut des Krebses ankämpfte. Dieses Feuer war der Jim Dooley - der Geist, die Kraft, die Persönlichkeit - das, was noch immer im Innern der verfallenen Hülle wohnte.
    Ihre Erleuchtung währte nur einen Augenblick, aber Samantha wußte, daß dieser Eindruck sie nie mehr verlassen würde. Ihr gezwungenes Lächeln wurde echt, und das Brennen der unvergessenen Tränen verschwand. Sie trat hinüber an das Bett und nahm die Hand des alten Mannes - leicht und zerbrechlich wie ein kleiner Vogel - zwischen ihre beiden Hände.
»Es tut gut, dich zu sehen, Samantha. Ich bin froh, daß du kommen konntest.«
    »Denkst du ernsthaft, du hättest mich fernhalten können, Pop-Pop?« fragte sie leise.
»Du siehst gut aus.«
»Du auch.«
Jim Dooley zog die Stirne kraus und setzte zu einem sarkastischen Kommentar an. Aber dann schwieg er, als habe er etwas Überraschendes in Sams Augen gesehen. Nach einem Augenblick des Zögerns nickte er stumm. Sie fühlte, wie er ihre Hand drückte, mit einem blassen Schatten seiner früheren Kraft.
»Wirst du gut versorgt, Pop-Pop?«
Jim zuckte die knochigen Schultern. »Wenn ich es zulasse«, sagte er trocken, und seine jadegrünen Augen funkelten.
»Hast du eine Schwester?«
Er nickte. »Die Reinkarnation von Attilas Kindermädchen.« Er grinste böse. »Ich habe ihr den Morgen freigegeben. Ich bin sicher, sie nutzt diese unerwartete Freizeit dazu, ein paar kleine Kätzchen zu sezieren.« Plötzlich schnalzte er mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Samantha, ich vergesse meine Manieren. Ich möchte dir Ernest Macintyre vorstellen, einen alten Freund. Mac, das ist meine Enkelin.«
Sam drehte sich um. Sie hatte völlig vergessen, daß noch jemand im Raum war.
Der andere Mann stand mit dem Rücken zur Wand in der Ecke. Um sich noch weiter vom Bett zu entfernen, hätte er das Zimmer verlassen müssen. Die Augen hinter seiner Drahtbrille weiteten sich, als Sam auf ihn zutrat, und einen Augenblick lang dachte sie, er würde an ihr vorbei aus der Tür stürzen. Aber dann lächelte er - ein unschuldiges Lächeln, beinahe kindlich, dachte sie unwillkürlich - und streckte die Hand aus. »Ms. Dooley«, sagte er höflich.
Seine Förmlichkeit ließ Sam eine Augenbraue hochziehen. »Mr. Macintyre.« Während sie ihm die Hand schüttelte, schätzte sie den Mann ab. Mittlere Statur, durchschnittliche Größe - eigentlich, stellte sie auf den zweiten Blick fest, war er ziemlich groß, mindestens
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