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BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

Titel: BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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machen, doch überall war der Strom ausgefallen. Glücklicherweise war es draußen schon recht hell. Das, was er in der dämmrigen Wohnung erkennen konnte, sah schlimmer aus, als es vermutlich war. Schränke und Bücherborde waren umgestürzt, Geschirr lag in Scherben, doch die Grundsubstanz des Hauses hatte offenbar kaum Schaden genommen. Unangenehm war lediglich, dass im Schlafzimmer und Flur größere Deckenteile aus Stuck und Holz herabgefallen waren.
    Radd war gerade dabei, ins Erdgeschoss hinunter zu gehen, als die Erde erneut bebte. Verdammt , schoss es ihm durch den Kopf. Warum hatte er nur so lange gezögert? Diesmal kam er möglicherweise nicht so glimpflich davon.
    Mit fünf, sechs großen Sprüngen raste er die Treppe hinunter zur Haustür. Noch ehe er den rettenden Ausgang erreicht hatte, war wieder Ruhe eingekehrt. Diesmal hatte das Beben nur wenige Sekunden gedauert. Dennoch zerrte Radd wie wild an der Tür. Ohne Erfolg. Für einen kurzen Moment überfiel ihn ein Anflug von Panik. Durch die Erschütterungen hatte sich die Tür verkeilt, und nun saß er hier gefangen wie eine Ratte.
    »Radd, die Ratte«, kicherte er. Es klang allerdings mehr wie ein Schluchzen. Gleich nach dem Tod seiner Mutter hatte er seinen Namen von Radovanovic in Radd umändern lassen, doch dummerweise war ihm dabei entgangen, welch unangenehmen Klang nun auch sein amerikanischer Name besaß. In diesem Moment erschien er ihm wie eine makabre Prophezeiung.
    Ungläubig hörte er plötzlich das Aufschnappen des Schlosses. Seine blind herumfuchtelnden Hände hatten endlich den zweiten Sicherheitsschieber gefunden, den er in der Aufregung vollkommen vergessen hatte.
    Die Tür öffnete sich so mühelos, als wäre nichts geschehen. Das jedoch, was hinter ihr lag, hatte eine unwirkliche Metamorphose durchlaufen. Vorsichtig trat Radd auf den Bürgersteig. Die Straße sah aus wie ein Schlachtfeld; überall lagen kleinere und größere Steinbrocken und zersplittertes Glas verstreut. Nur etwa 40 Yards von seinem Haus entfernt hatte das Beben die Straße um etwa einen Fuß angehoben und den Asphalt in einer geschwungenen Welle erstarren lassen. Mehrere Sturzbäche suchten sich ihren Weg durch den Schutt. Radd blickte die Straße hinauf. Irgendwo dort oben musste eine größere Wasserleitung geborsten sein.
    Schreie und aufgeregtes Stimmengewirr drangen zu ihm herüber. Die Menschen, die zumeist noch ihre Pyjamas oder Nachthemden trugen, liefen ziellos wie aufgescheuchte Hühner durch das Chaos. Ein zaghaftes Lächeln huschte über Radds Züge. Als erneut ein kurzes Nachbeben einsetzte, wartete er das Ende gelassen ab. Seine Angst war mit einem Mal einem Gefühl der Ruhe und der Freude gewichen. Die Stadt war keineswegs ein Ort der Trauer und Zerstörung; für ihn präsentierte sich San Francisco an jenem Morgen mehr denn je wie eine reich gedeckte Tafel, die nur darauf wartete, von ihm geplündert zu werden. Das grelle Heulen der Sirenen und das Läuten der Kirchenglocken war dabei eine wundervolle Tischmusik. Während Radd sich für den ›Festschmaus‹ fein machte, schallte sein Kichern durch das ganze Haus.

    Um etwa 5 Uhr 50 begann der Mann in dem langen Mantel seinen Streifzug. Es hatte noch zwei weitere Nachbeben gegeben, doch nun schien sich der grollende Erd-Dämon endlich beruhigt zu haben. Die zahlreichen Rauchfahnen, die mittlerweile im Osten der Stadt emporstiegen, bewiesen allerdings, dass das Unglück noch nicht vorüber war. Radd hasste Feuer. Woher diese angeborene Abneigung kam, wusste er nicht zu sagen, doch selbst die Flamme einer Petroleumlampe bereitete ihm Unbehagen. Als er den Rauch entdeckte, entschied er sich daher kurzerhand dafür, in nördliche Richtung zu gehen.
    Die Fillmore Street erwies sich als gute Wahl. Während die benachbarten Straßen stark beschädigt waren und mancherorts bereits kleinere Feuer loderten, schien die Fillmore die Katastrophe nahezu unversehrt überstanden zu haben. Nur selten einmal musste Radd über zerborstene Backsteine oder Dachziegel hinwegsteigen. Da er sich kein festes Ziel gesetzt hatte, nutzte er die Zeit, um das Geschehen um sich herum ausgiebig zu beobachten. Oft blieb er stehen und amüsierte sich über die Hektik seiner Mitbürger. In kopfloser Furcht vor den nahenden Flammen hatten viele Menschen einfach nach dem gegriffen, was sich gerade in ihrer Nähe befand.
    So sah er einen Mann, der einen Karton voll mit Stiefeln schleppte; eine Frau trug ein Bügelbrett mit drei
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