Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
beiläufig auf den Wasserspeierdämon, der sprungbereit an Nathanaels Seite kauerte. »Ich hoffe, du enttäuschst mich nicht noch einmal, Jabor«, schloss der Zauberer.
    Der schakalköpfige Dämon trat vor. Der Steindämon stieß einen Fluch aus und schnellte in die Luft. Aus Jabors Rücken sprossen zwei rotgeäderte Schwingen. Mit einem Flügelschlag, der wie das Knacken brechender Knochen klang, hob er ab und machte sich an Bartimäus’ Verfolgung.
    Nathanael und Lovelace blieben zurück und sahen einander an. Die Schmerzen in Nathanaels Zwerchfell hatten ein wenig nachgelassen, sodass er aufstehen konnte. Dabei hielt er den Blick fest auf das goldene Glitzern an Lovelace’ Hals gerichtet.
    »Weißt du, John«, sagte Lovelace und spielte lässig mit dem Beschwörungshorn, »wenn du das Glück gehabt hättest, mein Lehrling zu werden, hätten wir gemeinsam noch sehr viel erreichen können. Ich sehe, dass etwas in dir steckt. Du erinnerst mich an mich selbst, als ich jung war – wir haben beide den Willen zur Macht.« Sein Lächeln entblößte die weißen Zähne. »Aber Underwoods lasche Mittelmäßigkeit hat dich verdorben.«
    Er unterbrach sich, denn ein schreiender Zauberer, dessen Haut mit winzigen, schillernden blauen Schuppen bedeckt war, stolperte zwischen ihnen hindurch. Überall im Saal ertönten die verworrenen, verstörenden Geräusche, die entstanden, wenn die von Ramuthra ausgehenden Druckwellen auf einen Bannzauber trafen, ihn entstellten und umlenkten. Die meisten Zauberer und Kobolde drängten sich an der hintersten Wand des Saales zusammen und stapelten sich bei dem verzweifelten Versuch zu entkommen förmlich übereinander. Das große Wesen trottete auf sie zu und hinterließ eine Schneise deformierter Trümmer: verzogene Stühle, fallen gelassene Taschen und andere Utensilien, die ausnahmslos verbogen und in die Länge gezogen waren und in unnatürlichen Farbschattierungen schimmerten. Nathanael gab sich Mühe, dieses Bild der Verwüstung nicht an sich herankommen zu lassen. Er blickte starr auf die Kette mit dem Amulett und wappnete sich für einen zweiten Versuch, sie an sich zu bringen.
    Lovelace lächelte ihn an. »Nicht mal jetzt gibst du auf«, stellte er fest. »Genau das meinte ich – du hast einen eisernen Willen. Sehr löblich. Aber als meinem Lehrling hätte ich dir beigebracht, dich so lange zu zügeln, bis du so weit bist, deinen Willen in die Tat umzusetzen. Ein richtiger Zauberer braucht Geduld, wenn er am Leben bleiben will.«
    »Stimmt«, sagte Nathanael rau. »Das hat mir schon mal jemand gesagt.«
    »Du hättest darauf hören sollen. Jetzt ist es jedenfalls zu spät. Du hast schon zu viel Unheil angerichtet, selbst wenn ich wollte, könnte ich nichts mehr für dich tun. Das Amulett schützt nur eine Person.«
    Er warf einen Seitenblick auf Ramuthra. Der Dämon hatte ein versprengtes Grüppchen Zauberer in eine Ecke getrieben und streckte gierig die Hand nach ihnen aus. Ein schriller Schrei erstarb jäh.
    Nathanael bewegte sich unmerklich. Sofort richtete sich Lovelace’ Blick wieder auf ihn. »Gibst du immer noch nicht auf, John?«, fragte er. »Wenn ich mich nicht darauf verlassen kann, dass du dich freiwillig hinlegst und zusammen mit den anderen Dummköpfen stirbst, muss ich wohl ein bisschen nachhelfen. Betrachte es als Kompliment.«
    Er setzte das Horn an die Lippen und blies kurz hinein. Nathanael bekam eine Gänsehaut. Er spürte, dass hinter seinem Rücken etwas geschah.
    Beim Klang des Horns hielt Ramuthra inne. Die Ebenen um ihn herum gerieten noch stärker in Aufruhr, als wollte er einem heftigen Gefühl, vielleicht Zorn, Ausdruck verleihen. Nathanael sah, wie er sich umdrehte und zu Lovelace hinüberzuspähen schien.
    »Zaudre nicht, Sklave!«, schrie Lovelace. »Tu, was ich dich geheißen habe! Der Junge hier muss sofort sterben!«
    Nathanael spürte, wie sich ein fremdartiger Blick auf ihn senkte. Seltsam unbeteiligt betrachtete er den wunderschönen goldenen Wandteppich hinter dem riesigen Kopf. Das Webstück sah aus, als würde es von der Substanz des Dämons wie durch eine scharfe Lupe vergrößert.
    »Komm her!« Lovelace’ Stimme klang brüchig und heiser. Eine gewaltige Welle ging von dem Dämon aus und verwandelte einen Kronleuchter in einen Schwarm kleiner gelber Vögel, der zur Decke aufstob, bevor er sich auflöste. Ramuthra ließ schwerfällig von den noch übrig gebliebenen Zauberern ab und schritt auf Nathanael zu.
    Nathanaels Gedärme
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher