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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand
Autoren: Jonathan Stroud
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durfte.
    »Ich habe mir jedes Wort gemerkt, Sir«, wiederholte er.
    Sein Meister nickte. »Hast du schon mal einen Dämon gesehen?«, fragte er.
    »Nein, Sir. Das heißt, schon… aber nur in Büchern.«
    »Steh auf.«
    Der Junge erhob sich so rasch, dass er beinahe auf dem Kissen ausgerutscht wäre. Dann stand er mit linkisch herabhängenden Armen abwartend da. Sein Meister zeigte beiläufig auf die Tür hinter ihm. »Du weißt, wohin diese Tür führt?«
    »Zu Ihrem Arbeitszimmer, Sir.«
    »Gut. Geh die Treppe hinunter und in das Zimmer. Ganz hinten steht mein Schreibtisch. Auf dem Schreibtisch liegt ein Etui. In dem Etui befindet sich eine Brille. Setz sie auf und komm wieder her. Kapiert?«
    »Ja, Sir.«
    »Gut. Dann los.«
    Unter dem prüfenden Blick seines Meisters ging der Junge zur Tür. Sie bestand aus dunklem, kräftig gemasertem Holz. Er musste sich anstrengen, um den schweren Messingknauf zu drehen, doch das kühle Metall fühlte sich angenehm an. Die Tür schwang in geölten Angeln geräuschlos auf und der Junge trat über die Schwelle. Er stand am oberen Absatz einer mit einem Läufer bespannten Treppe. Die Wände waren mit einem geschmackvollen Blumenmuster tapeziert und etwa auf halber Höhe strömte durch ein kleines Fenster freundliches Sonnenlicht herein.
    Der Junge stieg vorsichtig eine Stufe nach der anderen hinunter. Die Stille und das Sonnenlicht beruhigten ihn und dämpften seine Angst ein wenig. Da er diese Schwelle noch nie überschritten hatte, war seine Fantasie hinsichtlich dessen, was ihn im Arbeitszimmer seines Meisters erwartete, auf irgendwelche wüsten Geschichten angewiesen. Grässliche Bilder von ausgestopften Krokodilen und eingelegten Augäpfeln sprangen ihn an. Wütend verjagte er sie wieder. Er war kein Feigling.
    Am Fuß der Treppe befand sich eine zweite Tür. Sie glich der ersten, nur dass sie kleiner war und in der Mitte einen roten, fünfzackigen Stern hatte. Der Junge drehte den Türknauf und zog daran. Die Tür öffnete sich widerstrebend, weil der dicke Teppich sie hemmte. Als der Spalt groß genug war, zwängte sich der Junge hindurch.
    Beim Eintreten hatte er unwillkürlich den Atem angehalten. Jetzt stieß er ihn fast enttäuscht wieder aus. Alles sah so normal aus. Ein länglicher Raum mit Bücherregalen auf beiden Seiten. An der hinteren Wand ein großer Schreibtisch mit einem gepolsterten Ledersessel. Auf dem Tisch Stifte, ein paar Akten, ein alter Computer, ein kleines Metalletui. Durchs Fenster blickte man auf einen Kastanienbaum in voller, sommerlicher Blätterpracht. Das Licht im Zimmer spielte ins Grünliche.
    Der Junge ging auf den Schreibtisch zu.
    Auf halbem Weg blieb er stehen und drehte sich um.
    Nichts. Trotzdem hatte er ein komisches Gefühl… Aus irgendeinem Grund machte ihn die halb offene Tür nervös, durch die er soeben eingetreten war. Jetzt wäre er froh gewesen, er hätte sie hinter sich zugezogen.
    Er schüttelte den Kopf. Wozu? Er würde sowieso gleich wieder hinausgehen.
    Mit vier raschen Schritten stand er vor dem Schreibtisch. Wieder drehte er sich um. Hatte er da nicht eben ein Geräusch vernommen?
    Außer ihm war niemand im Zimmer. Der Junge lauschte angestrengt wie ein Kaninchen in seinem Versteck. Nein, außer dem gedämpften Verkehrsgebrumm von draußen war nichts zu hören.
    Mit aufgerissenen Augen und schwer atmend drehte sich der Junge wieder zum Schreibtisch um. Das Metalletui glänzte in der Sonne. Er langte über die lederbezogene Schreibtischplatte. Das war nicht unbedingt nötig – er hätte auch um den Schreibtisch herumgehen können –, doch aus irgendeinem Grund hatte er es eilig, wollte er sich seine Beute schnappen und so schnell wie möglich wieder verschwinden. Er beugte sich über den Tisch und griff nach dem Etui, doch es blieb eigensinnig außer Reichweite. Der Junge beugte sich noch weiter vor und streckte verzweifelt die Hand aus. Er verfehlte das Etui, aber sein rudernder Arm stieß einen kleinen Becher mit Stiften um. Die Stifte ergossen sich über den Lederbezug.
    Der Junge spürte, wie ihm eine Schweißperle die Achselhöhle hinunterrann. Hektisch fing er an, die Stifte einzusammeln und wieder in den Becher zu stecken.
    Dicht hinter ihm ertönte ein kehliges Lachen.
    Er wirbelte herum, unterdrückte einen Aufschrei. Aber da war nichts.
    Einen Augenblick blieb er starr vor Angst mit dem Rücken zum Tisch stehen. Dann meldete sich eine innere Stimme zu Wort. »Lass die Stifte Stifte sein – du sollst das Etui
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