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Barrayar

Barrayar

Titel: Barrayar
Autoren: Lois McMaster Bujold
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ebenmäßig und angenehm, war das genaue Gegenstück zu Botharis schmalen und fremdartigen Zügen, und er lächelte Cordelia offen entgegen. Nicht einmal den Kummerfalten in den Augen- und Mundwinkeln gelang es, dieses Gesicht altern zu lassen. Er trug die grüne kaiserliche Interimsuniform, die bis auf die Abzeichen der des Sicherheitsoffiziers Illyan glich. Die langen Ärmel und der hohe Kragen seiner Jacke verbargen das Flechtwerk feiner roter Narben, die seinen halben Körper wie ein Netz überzogen, aber Cordelia sah sie mit ihrem geistigen Auge vor sich. Nackt konnte Koudelka als sichtbares Modell für eine Vorlesung über die Struktur des menschlichen Nervensystems posieren, denn jede rote Narbe stand für einen toten Nerv, der entfernt und durch künstliche Silberdrähte ersetzt worden war. Leutnant Koudelka war noch nicht ganz an sein neues Nervensystem gewöhnt. Sag die Wahrheit. Die Chirurgen hier sind unwissende, grobschlächtige Metzger.
    Die Arbeit entsprach sicher nicht dem betanischen Standard. Cordelia erlaubte keiner Andeutung dieses privaten Urteils, sich auf ihrem Gesicht abzuzeichnen.
    Koudelka drehte sich mit einem Ruck um und nickte Bothari zu. »Hallo, Sergeant. Guten Morgen, Lady Vorkosigan.«
    Ihr neuer Name klang in ihrem Ohr immer noch fremd, unpassend. Sie erwiderte sein Lächeln. »Guten Morgen, Kou. Wo ist Aral?«
    »Er und Oberstleutnant Illyan sind in die Bibliothek gegangen, um zu prüfen, wo die neue gesicherte Kommunikationskonsole installiert werden soll. Sie müssten gleich wieder da sein. Aha.« Er nickte, als Schritte im Bogengang ertönten. Cordelia folgte seinem Blick. Illyan, schmächtig, sanft und höflich, flankierte einen Mann Mitte Vierzig, der ihn in den Schatten stellte in seiner prächtigen grünen kaiserlichen Uniform. Und dieser Mann war der Grund, warum sie nach Barrayar gekommen war.
    Lord Aral Vorkosigan, Admiral außer Dienst. D.h. ehemals außer Dienst, bis gestern. Ihrer beider Leben war gestern gewiss auf den Kopf gestellt worden. Aber wir werden sicherlich irgendwie auf unseren Füßen landen. Vorkosigans Körper war stämmig und kraftvoll, sein dunkles Haar von grauen Fäden durchzogen. Sein schweres Kinn war mit einer alten Narbe in Form eines L gezeichnet. Er bewegte sich mit geballter Energie, der intensive Blick seiner grauen Augen wirkte nach innen gerichtet, bis er auf Cordelia fiel.
    »Ich wünsche einen guten Morgen, Mylady«, rief er aus und griff nach ihrer Hand. Der Gruß klang befangen, aber die Empfindung in seinen spiegelklaren Augen war aufrichtig. In diesen Spiegeln bin ich ganz und gar schön, erkannte Cordelia, und es wurde ihr warm ums Herz. Sie schmeicheln mir viel mehr als der eine droben an der Wand. Von jetzt an werde ich sie benutzen, um mich darin anzuschauen. Seine kräftige Hand war trocken und warm, willkommene Wärme, lebendige Wärme, und sie schloss sich um ihre kühlen, schlanken Finger. Mein Mann. Das passte, so ruhig und fest, wie ihre Hand in die seine passte, selbst wenn ihr neuer Name, Lady Vorkosigan, ihr immer noch von den Schultern zu gleiten schien.
    Sie beobachtete Bothari, Koudelka und Vorkosigan, wie sie für diesen kurzen Augenblick beieinander standen. Die Leichtverwundeten, einer, zwei, drei. Und ich, die Dame vom Hilfsdienst. Die Überlebenden. Alle drei hatten in dem letzten Krieg gegen Escobar fast tödliche Wunden erlitten, Kou in seinem Körper, Bothari in seinem Gemüt, Vorkosigan in seinem Geist. Das Leben geht weiter. Marschieren oder sterben. Fangen wir endlich an, wieder gesund zu werden? Sie hoffte es.
    »Bereit zu gehen, lieber Captain?«, fragte Vorkosigan sie. Seine Stimme war ein Bariton, mit einem kehligwarmen barrayaranischen Akzent.
    »So bereit wie nur je, nehme ich an.«
    Illyan und Koudelka gingen voran nach draußen. Koudelkas Gang war ein schlaksiges Watscheln neben Illyans forschem Schritt, und Cordelia runzelte zweifelnd die Stirn. Sie nahm Vorkosigans Arm, und so folgten sie den anderen und ließen Bothari bei seinen Aufgaben im Haus zurück.
    »Wie ist der Zeitplan für die kommenden Tage?«, fragte sie.
    »Nun, zunächst natürlich diese Audienz«, antwortete Vorkosigan.
    »Danach werde ich verschiedene Leute treffen. Graf Vortala wird das einfädeln. In ein paar Tagen kommt die Abstimmung über das Einverständnis in den Versammelten Räten und meine Vereidigung. Wir haben schon hundertzwanzig Jahre lang keinen Regenten mehr gehabt. Gott allein weiß, was sie da an Protokoll
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