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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck
Autoren: Hakan Nesser
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Berg, es muss bis weit nach Miijskens hinein zu hören gewesen sein. Tiere flohen, die Vögel in der unmittelbaren Nähe flogen auf, ein Raubvogel, Hohltauben und ganz gewöhnliche Krähen ... der Rückstoß hatte mir die Arme hochgerissen, und einen Moment lang fühlte ich mich eher als Zielscheibe denn als Schütze.
    Als ich mich gefasst hatte, stellte ich jedoch fest, dass der Schuss tatsächlich ein großes Loch in den Baumstamm gerissen hatte, auf den ich gezielt hatte. Fünfzehn, zwanzig Meter entfernt, vielleicht etwas höher, als ich gedacht hatte, aber es war wirklich kein schlechter erster Versuch.
    Ich nahm die Jacke als Unterlage, setzte mich auf den Stein und trank noch ein wenig Cognac. Wartete darauf, dass Menschen auf dem Weg auftauchen und sich wundern würden, was denn hier los war. Dort, wo ich saß, konnte ich eigentlich unmöglich entdeckt werden, und ich beschloss, mich mindestens fünfzehn Minuten nicht zu rühren. Mein Puls pochte heftig, und ich versuchte mir einzureden, dass diese Erregung, die in mir vibrierte, eigentlich etwas ganz anderes war.
     
    Nach zwei Zigaretten war immer noch nichts passiert, und ich machte mich für den nächsten Probeschuss bereit. Ich veränderte meine Position, zielte auf einen anderen Baum, der etwas näher stand, acht, zehn Meter ungefähr, und entschied mich für einen Punkt ungefähr hundertfünfzig Zentimeter über der Erde.
    Ich trat vor, hob die Waffe und schoss.
    Immer noch etwas zu hoch, aber mitten im Baumstamm. Außerdem parierte ich diesmal den Rückschlag besser und hätte problemlos gleich danach einen weiteren Schuss abgeben können.
    Bei meinem dritten und letzten Versuch bemühte ich mich, die Situation noch realistischer zu gestalten. Fünf Meter Abstand, plötzliches Auftauchen, zwei schnelle Schüsse in Brusthöhe.
    Das Resultat war fast perfekt. Die Kugeln rissen zwei große Löcher in den Baum in nur wenigen Zentimetern Abstand.
    Ich setzte mich auf den Stein. Wartete wieder eine Viertelstunde und atmete tief durch. Dann stopfte ich alles in den Rucksack und machte mich auf den Rückweg.
    Es verwunderte mich ein wenig, wie einfach und mit welchem guten Resultat das Probeschießen abgelaufen war. (Das letzte Mal – und das einzige Mal außerdem – hatte ich eine Schusswaffe im Zusammenhang mit meiner Militärzeit vor fast dreißig Jahren in der Hand gehalten, ein Theater, das ich glücklicherweise nach nur wenigen Wochen beenden konnte.) Jedenfalls hatte ich mir vorgestellt, dass das Ganze mit größeren Schwierigkeiten verbunden sein würde. Zumindest mit gewissen Komplikationen.
    Aber so war es nun einmal nicht.
    Vielleicht wollte ich auch nur nicht zugeben, dass Töten eine ziemlich einfache Sache ist? Das Leben ist ja oft so überwältigend in seinem Verlauf.
     
    Blieb nur noch, den Zeitpunkt festzulegen. Vielleicht würde ich gezwungen sein, im Elementar anzurufen, um mich zu vergewissern, dass an dem entscheidenden Tag keine besonderen Aktivitäten geplant waren. Ich musste ja wissen, wann er kam. Ich wollte natürlich nicht umsonst warten und unverrichteter Dinge zurückfahren müssen.
    Aber an welchem Tag? Ich denke über viele Faktoren nach, die eigentlich gar nicht so relevant in diesem Zusammenhang sind: den Stand der Sonne, die Anzahl der Menschen auf den Straßen, den Busfahrplan ... entscheide mich schließlich für Donnerstag, vielleicht in erster Linie, weil heute Sonntag ist und ich keine Eile habe, von hier fort zu kommen.
    Überhaupt keine Eile, um ganz ehrlich zu sein.
    Ich zähle die leeren Seiten. Es bleiben mir nur noch vier.
    Vier Tage und vier Seiten. Vielleicht ist das ein guter Fingerzeig.
    Donnerstag also.

    32

    Schlussspiel in der Böttchergasse

    Donnerstag.
    Klares Wetter, ein wenig kalt. Das Kraus ist zu dieser Tageszeit ziemlich leer. Ich hänge meine Jacke über den Stuhl. Setze mich, lege den Rucksack zu meinen Füßen. Hole das Notizbuch heraus.
    Es ist der gleiche Tisch wie letztes Mal. Die gleiche Aussicht auf den Grote Markt. Die Markthalle im Hintergrund. Die Klostermauer. Die enge Treppe hinauf in den Chor der Domkirche. Die Sonne funkelt in den Glasscheiben des Rathausgiebels, zwei Arbeiter waschen den Taubendreck von dem Denkmal von Torquemada ab.
    Kein Problem mit Parkplätzen ... hinten beim jüdischen Gemeindezentrum an der Mauer, auf dem Marktplatz selbst. Es ist halb drei. In einer Stunde kommt er. Ich bestelle mir Kaffee, ein Stück Torte, ein kleines Glas Cognac. Fange an zu
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