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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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und Marktplatz diente, und seufzte angewidert.
    »Vielleicht gehen wir besser in mein Zimmer«, schlug ich vor.
    Auf dem Weg dorthin gellten die Jubelschreie und Hochrufe meiner Zimmernachbarn zu Ehren von Marujita und ihrer Sexualakrobatik durch die Wände.
    »Welch heiterer Ort«, bemerkte Vidal.
    »Darf ich Sie in die Präsidentensuite bitten, Don Pedro?«
    Wir traten ein, und ich schloss die Tür. Nachdem er mein Zimmer mit einem summarischen Blick bedacht hatte, setzte er sich auf den einzigen vorhandenen Stuhl und sah mich verdrießlich an. Ich konnte mir unschwer vorstellen, welchen Eindruck meine bescheidene Klause in ihm hervorgerufen hatte.
    »Wie finden Sie es?«
    »Ganz reizend. Ich möchte ebenfalls gleich herziehen.«
    Pedro Vidal lebte in der Villa Helius, einem monumentalen Jugendstilkasten mit drei Stockwerken und Turm, der sich an der Kreuzung von Calle Abadesa Olzet und Calle Panamá an die ansteigenden Hügelflanken von Pedralbes schmiegte. Das Haus war ihm vor zehn Jahren von seinem Vater geschenkt worden, in der Hoffnung, sein Sohn würde ein braver Bürger werden und eine Familie gründen, was Vidal schon seit Jahren hinauszögerte. Das Leben hatte ihn mit vielen Talenten gesegnet, darunter dem, seinen Vater mit jeder Geste und jedem Schritt zu enttäuschen und zu verletzen. Den Sohn mit unerwünschten Elementen wie mir sympathisieren zu sehen machte alles noch schlimmer. Ich erinnere mich, wie ich einmal, als ich meinem Mentor einige Unterlagen von der Zeitung nach Hause brachte, in einem der Salons der Villa Helius auf den Patriarchen des Vidal-Clans stieß. Als er mich erblickte, hieß er mich ein Glas Selters und ein sauberes Tuch holen, um ihm einen Fleck vom Revers zu reiben.
    »Ich glaube, Sie irren sich, Señor. Ich bin kein Dienstbote.«
    Ich erhielt ein Lächeln, das alles auf der Welt an seinen Platz rückte, ohne dass Worte nötig gewesen wären.
    »Der sich irrt, bist du, mein Junge. Du bist ein Dienstbote, ob du es weißt oder nicht. Wie heißt du?«
    »David Martín, Señor.«
    Der Patriarch kostete meinen Namen aus.
    »Befolge meinen Rat, David Martín. Verlass dieses Haus und geh dahin zurück, wo du hingehörst. So ersparst du dir und mir viele Probleme.«
    Ich gestand es Don Pedro nie, aber ich lief auf der Stelle in die Küche, holte Selters und Lappen und reinigte eine Viertelstunde lang das Jackett des bedeutenden Mannes. Der Schatten des Clans war lang, und wie sehr Don Pedro auch den charmanten Bohémien spielte, sein ganzes Leben war eine Verlängerung der Familienbande. Die Villa Helius lag passenderweise fünf Minuten vom großen väterlichen Anwesen entfernt, das den oberen Abschnitt der Avenida Pearson beherrschte, ein kathedralengleicher Wirrwarr aus Balustraden, Freitreppen und Mansarden, der aus der Ferne auf ganz Barcelona hinabschaute wie ein Kind auf seine verstreuten Spielsachen. Jeden Tag wurden zwei Dienstboten und eine Köchin aus dem großen Hause, wie der väterliche Sitz in der Entourage der Vidals genannt wurde, zur Villa Helius abgesandt, um zu putzen, zu wienern und zu kochen und das Heim meines begüterten Freundes in eine Stätte der Behaglichkeit und des bequemen Vergessens aller lästigen Alltagsangelegenheiten zu verwandeln. Don Pedro Vidal bewegte sich in einem funkelnagelneuen, vom Familienfahrer Manuel Sagnier gelenkten Hispano-Suiza durch die Stadt und war vermutlich in seinem ganzen Leben noch nie in eine Straßenbahn gestiegen. Als Spross aus gutem Hause entging ihm der düster-harsche Charme der billigen Absteigen im damaligen Barcelona.
    »Tun Sie sich keinen Zwang an, Don Pedro.«
     
    »Das ist ja ein Kerker«, rief er schließlich. »Ich weiß nicht, wie du hier leben kannst.«
    »Von meinem Gehalt mit Ach und Krach.«
    »Wenn es nötig ist, zahle ich so viel drauf, dass du an einem Ort leben kannst, wo es nicht nach Schwefel und Pisse stinkt.«
    »Das kommt gar nicht infrage.«
    Vidal seufzte.
    »Er ging an seinem Stolz zugrunde und ist elendiglich erstickt. Da hast du sie – deine unentgeltliche Grabinschrift.«
    Einige Augenblicke spazierte Vidal wortlos durch den Raum, inspizierte meinen winzigen Schrank, schaute mit angewidertem Gesicht aus dem Fenster, betastete den grünlichen Anstrich der Wände und tippte mit dem Zeigefinger an die nackte Glühbirne an der Decke, wie um sich zu vergewissern, dass alles Schund war.
    »Was führt Sie her, Don Pedro? Zu viel frische Luft in Pedralbes?«
    »Ich komme nicht von zuhause. Ich komme
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