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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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gelegentlich das Schlafzimmer von Damen der oberen Zehntausend teilten. In seinen untadeligen Seidenanzügen und glänzenden italienischen Mokassins glich Vidal vom Äußeren und von den Gesten her einem Filmbeau. Das blonde Haar war stets peinlich genau gekämmt, der Schnurrbart wie mit dem Lineal gezogen, und er hatte das unbefangene, großzügige Lächeln von jemandem, der sich in der Welt wie in seiner Haut vollkommen wohlfühlt. Er entstammte einer Dynastie von Männern, die in Südamerika mit dem Zuckergeschäft ein Vermögen und nach ihrer Rückkehr bei der äußerst lukrativen Elektrifizierung der Stadt ihren Schnitt gemacht hatten. Sein Vater, Patriarch des Clans, war Mehrheitsaktionär der Zeitung, und Don Pedro nutzte die Redaktion als Spielwiese gegen die Langeweile, da er es an keinem einzigen Tag in seinem Leben nötig gehabt hatte zu arbeiten. Es spielte keine große Rolle, dass die Zeitung so viel Geld verlor wie die neuen Autos Öl, von dem allmählich die Straßen Barcelona schillerten. Die Vital-Dynastie sammelte nach der Fülle von Adelstiteln nun Banken und im Entsanche Grundstücke von der Größe kleiner Fürstentümer.
    Pedro Vidal war der Erste gewesen, dem ich die Skizzen gezeigt hatte, die ich schrieb, als ich, fast noch ein Kind, in der Redaktion Kaffee und Zigaretten verteilte. Immer hatte er Zeit für mich, um mein Geschreibsel zu lesen und mir gute Ratschläge zu geben. Nach und nach wurde ich sein Assistent und durfte seine Texte auf der Maschine abtippen. Auch war er es, der mir sagte, wenn ich für mein Schicksal im russischen Roulette der Literatur setzen wolle, sei er bereit, mich zu unterstützen und bei den ersten Schritten an der Hand zu nehmen. Im Vertrauen auf sein Wort überließ ich mich jetzt den Klauen Don Basilios, des Redaktionszerberus.
    »Vidal ist ein sentimentaler Mensch, der noch an diese zutiefst antispanischen Legenden wie die von der Leistungsgesellschaft glaubt, oder dass man dem eine Chance geben soll, der es verdient, und nicht dem Protegé vom Dienst. Betucht, wie er ist, kann er es sich leisten, als Lyriker durch die Welt zu wandeln. Hätte ich auch nur ein Hundertstel seiner Peseten, ich schriebe längst Sonette, und die Vögelchen würden mir aus der Hand fressen, so verzaubert wären sie von meiner Güte und meinem Charme.«
    »Senor Vidal ist ein großer Mann«, protestierte ich.
    »Mehr als das. Er ist ein Heiliger, weil er mir trotz Ihres Hungerleidergesichts seit Wochen in den Ohren liegt, wie talentiert und fleißig der Redaktionsbenjamin sei. Er weiß, dass ich im Grunde ein weichherziger Mensch bin, und zudem hat er mir ein Kistchen Havannazigarren versprochen, wenn ich Ihnen diese Chance gebe. Und wenn Vidal das sagt, dann ist das für mich, als käme Moses mit den ganzen in Stein gehauenen offenbarten Wahrheiten auf dem Rücken den Berg runter. Also, kurzum, da Weihnachten ist und damit Ihr Freund endlich Ruhe gibt, biete ich Ihnen an, wie ein Held zu debütieren: gegen Gott und die Welt.«
    »Allerherzlichsten Dank, Don Basilio. Ich versichere Ihnen, es wird Ihnen nicht Leitung, dass Sie …«
    »Nicht so hastig, Burschen. Was halten Sie denn so von verschwenderisch und wahllos gebrauchten Adjektiven und Adverbien?«
    »Eine Schande, die unter Strafe gestellt werden sollte«, antwortete ich mit der Überzeugung eines militanten Konvertierten.
    Don Basilio nickte.
    »Sie sind auf dem rechten Weg, Martín. Sie haben klare Prioritäten. In diesem Metier überlebt nur, wer Prioritäten hat und nicht Prinzipien. Wir machen Folgendes. Setzen Sie sich und spitzen Sie die Ohren, ich werde es Ihnen nicht zweimal sagen.«
    Sein Plan war folgender. Aus Gründen, über die sich Don Basilio nicht weiter auslassen mochte, war der Artikel für die letzte Seite der Sonderausgabe, traditionell erweise ein literarischer Text oder ein Reisebericht, in letzter Minute ausgeblieben. Vorgesehen gewesen war eine Erzählung patriotischen Zuschnitt voll glühender Schwärmerei über die Heldentaten der Almogavaren. Diese im Dienst der katalanisch-aragonesischen Krone stehenden Soldaten hatten gleichsam im Vorbeigehen das Christentum gerettet und alles, was ehrbar war unter dem Himmel, vom Heiligen Land bis zum Llobregat-Delta. Leider war der Text nicht rechtzeitig eingetroffen, oder aber Don Basilio hatte, wie ich vermutete, nicht die geringste Lust, ihn abzudrucken. Damit war sechs Stunden vor Redaktionsschluss kein anderer Ersatz in Sicht als ein ganzseitiges Inserat
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