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Bannsänger

Bannsänger

Titel: Bannsänger
Autoren: Alan Dean Foster
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Haupt zu heben. Jon nahm langsam Notiz von seiner Umgebung. Sein Bett und sein Zimmer, die Buchreihen auf dem Regal aus Brettern und Ziegelsteinen, die Pinup-Girls, der lädierte Fernseher das alles war durch einen Wald aus Eichen, Platanen, Birken und Pinien ersetzt. Tulpenartige Blumen erhoben sich über dichtes Gras und vereinzelte Blaukleebüschel. Ein leises Klingeln wie von Tempelglocken drang von den entfernten Bäumen herüber.
    Jon preßte die Hände an den Kopf. Klare Gedanken flohen weiterhin lachend seinen Geist. Er erinnerte sich schmerzhaft an ein Zerren, das ihm das Gehirn aus dem Schädel zu reißen drohte. Dann war er dahin getrieben, in einem anderen Treiben als in der entspannenden Schummrigkeit, die ihn üblicherweise nach einer Nacht angestrengten Lernens und schweren Kiffens einhüllte. Der Kopf pulsierte.
    »Nun?« fragte der Otter unerwartet mit einer sehr hohen, aber nicht direkt quiekenden Stimme.
    »Nun – was?« Bald, sagte er sich in wilder Verzweiflung, bald werde ich in meinem Bett aufwachen, die Geschichte aller römischen Kaiser neben mir, die ich noch zu Ende lesen muß. Kein Hasch, dachte er. Irgend etwas Stärkeres. Himmel, mein Kopf!
    »Du 'ast gefragt, was du für mich tun kannst.« Der Otter deutete wieder mit einer raschen Bewegung in die Richtung des Findlings am Rande des Waldes. »Weil dein verdammter großer Fuß mich zu Fall brachte und ich das Granbit verloren 'ab, könntest du's auch verdammt gut für mich ausbuddeln.«
    »Wozu? Wolltest du es essen?«
    »Nee.« Der Ton des Otters troff vor bitterem Sarkasmus. »Ich wollte mir den dämlichen Zweibeiner um den 'als wickeln und als Kette tragen, wollt ich.« Die Schnurrhaare bebten vor Wut.
    »Du willst wohl den Klugscheißer spielen, wa? Glaubst wohl, deine Größe könnt dich schützen, wa?«
    Das Tier ruckte wie beiläufig den Bogen an Brust und Rücken zurecht, zog das Schwert und trat auf Jon zu, der nicht zurückwich. Wie konnte er auch, da er doch tief schlief?
    »Ich weiß, was jetzt passiert.« Er bewegte die Füße und fiel fast hin. »Du tötest mich, und ich wache auf. Es wird Zeit. Ich muß noch ein ganzes verdammtes Buch zu Ende lesen.«
    »Du bist wohl bekloppt!« Der Kopf des Otters fuhr nervös herum, und eine pelzige Pfote kratzte eine Wange. »Türlich, ich glaub, du bist es.« Er sah sich aufmerksam um. »Ich weiß nich, welche Einflüsse an diesem Ort 'ne Rolle spielen, aber sie 'aben mich 'nen Granbit gekostet. Ich mach 'nen Abgang. Willst du dich nich wenigstens entschuldigen?«
    »Weil ich dich zum Stolpern brachte, meinst du?« überlegte Jon. »Ich habe überhaupt nichts getan. Ich schlafe, hast du das vergessen?«
    »Du siehst verdammt übler aus als nur 'n Schläfer. Das Granbit läßt dich Eingeweide kotzen, wenn du das Glück hast, es zu erwischen. Ich bin jedenfalls fertig damit, wenn es bedeutet, Typen wie dir zu begegnen. Und wenn du mir folgen solltest, schlitz ich dich vom Schlund bis zum Arsch auf. Be'alt also deine verdammte Entschuldigung für dich, und nimm dafür das als Abschiedsgeschenk!«
    Damit hieb er mit dem Traumschwert nach Jon. Es durchschnitt das Hemd und schlitzte ihn links genau über dem Jeansgürtel auf. Ein blendender Schmerz explodierte in der Hüfte, nur schwach gedämpft durch die abklingenden Effekte des nächtlichen Rauchens. Jons Mund öffnete sich zu einem kleinen »Oh!« der Überraschung. Beide Hände fuhren an die Rippen.
    Der Otter zog sein Schwert zurück, dessen Spitze jetzt feuchtrot schimmerte, und schob es in die Scheide, nachdem er es in dem hohen Gras gereinigt hatte. Er drehte sich um und ging, Obszönitäten murmelnd, davon. Jon sah ihm nach, wie er durch das Gras auf die Bäume zu watschelte.
    Der Schmerz in seiner Seite verstärkte sich. Rot durchtränkte sein blaues T-Shirt. Warme Feuchtigkeit tropfte unangenehm an seinem Slip herunter und lief dann am linken Bein seiner Jeans weiter. Oberflächliche Wunden bluten unverhältnismäßig stark, verglichen mit ihrer Ernsthaftigkeit, sagte er sich. Aber es tut weh! dachte er verzweifelt.
    Mein Gott, hoffentlich wache ich bald auf!
    Aber falls er schlief... der Schmerz war zu real, weit mehr als die Bäume oder der Otter. Blut benetzte das Gras; doch er humpelte hinter seinem Angreifer her.
    »Warte einen Moment... bitte warte!« Die Worte kamen ihm rauh aus der trockenen Kehle, und er hatte einen Mordshunger. Die Linke gegen die Seite gepreßt, mit der Rechten wedelnd, stolperte er dem Otter nach.
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