Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
Gummi. Alles an mir ist leblos – bis auf mein Herz. Es pumpt und pumpt, das tut richtig weh, und ich bekomme plötzlich Panik. Mein Atem wird schnell … schneller … Ich habe Angst, dass ich sterben muss. Was ist, wenn ich sterben muss? Niemand ist da. Es bliebe bestimmt tagelang unbemerkt. Ich will nicht sterben … Bitte, bitte … Mach, dass ich nicht sterbe … und dann bin ich weg.
    Schwarz. Tiefstes Kohlraben-Mitternachts-Pechschwarz.
    Wie so oft, ist es mein eigener Gestank, eine gemeine Mischung aus Zigaretten, Schweiß, Sexgeruch und Kotze, der mich aus einem komatösen Schlaf weckt. Es ist mittlerweile schon wieder kurz nach fünf am Nachmittag. Das Erinnerungsgeflecht ist ein sehr lockeres, doch das, was ich noch abrufen kann, reicht, um eine dicke Kruste aus Scham um meinen Körper zu bilden, die sich auch mit dem teuren Luffaschwamm unter der Dusche nicht abkratzen lässt. Ich rede mir ein, dass es mir gutgehen darf, wo ich doch immerhin noch lebe. Doch es klappt nicht. Ich habe noch nie in meinem Leben gekokst, das hat mich nie gereizt, aber ich hätte wohl nicht ausgeschlossen, es irgendwann einmal auszuprobieren. Doch dass meine Mumu damit eher Bekanntschaft machen würde als meine Nase, wäre mir dabei nie in den Sinn gekommen. Ich merke, wie sich die Spucke in meinem Mund sammelt, das Gefühl, als würden sich die Wangen nach innen ziehen. Ich glaube, es waren Zwei. Ich übergebe mich und brauche danach die halbe Flasche Duschgel auf, um endlich, endlich einen anderen Geruch in die Nase zu bekommen. Das Handtuch hinterlässt brennende, rote Stellen auf meiner Haut, als ich mich verzweifelt und fest, fast wie im Wahn, abtrockne. Ich wickele es mir um den Körper und krabbele zurück in mein Bett.
    Eine halbe Stunde später bringt der Lieferservice eine große Salamipizza mit extra Käse. Die hilft zumindest gegen den Kater. Gegen alles andere würde nur Eins helfen, bzw. Eine : Lene. Was würde ich darum geben, könnte ich sie jetzt anrufen. Aber das geht nicht. Das geht auf gar keinen Fall. Die letzte Nacht war ja Niveau-technisch jetzt nicht so … Natürlich könnte ich Lene anrufen und ihr nach der Otto-Methode von der letzten Nacht erzählen. Aufregend müsste es klingen und sie so richtig neidisch machen. »Ja, die Puppe, die kriegt jeden Mann. Sogar zwei davon. Während ich, die arme Lene, hier sitzen und schwanger sein muss. Von einem voll langweiligen Typen.« Und so weiter. Ich meine, wenn die sich während des Flugs wirklich 20 (zwanzig!) Stunden am Stück unterhalten haben wollen, dann haben sie sich jetzt bestimmt nicht mehr viel zu sagen. Oder? Nach 20 (zwanzig!) Stunden, da ist man doch mit allem durch. Oder?
    Ach nein, vielleicht rufe ich sie doch lieber andermal an. Wenn ich in der Lage bin, die Otto-Version der letzten Nacht so zu erzählen, dass man sie mir wirklich abnimmt.
    Aber was mache ich jetzt ? Ich ziehe eine Scheibe fettig glänzender Salami vom extra käsigen Boden und halte sie gegen die unerbittlichen Strahlen, die die Sonne durch das Fenster wirft. Ein pinkfarbenes Wurst-Kaleidoskop, haha. Die Fettaugen schimmern grau, blau, silbern. Ein Wurst-Kaleidoskop, wie schön, hahahahahaha. Ego-Mops, wo bist du? Ich hab Fresschen für dich! Haha. Hahaha. O Mann. Mit Schwung werfe ich die Salamischeibe in Richtung Fenster, aber ich treffe nicht. Ungefähr einen Meter davor fällt sie senkrecht nach unten. Platsch. Ist doch alles Sch … Vogelkacke.
    Ich muss hier raus. Genau wie diese letzte Nacht aus meinem Kopf raus muss. Ich muss weg, ich brauche Ablenkung, ich muss vergessen, und dafür müsste eigentlich der nächste Suff her, aber mir ist immer noch übel. So furchtbar übel. Ich wünschte, ich wäre Lene. Vor meinem geistigen Auge sehe ich, wie Lene und der Typ sich auf der Couch zusammenkuscheln, ein menschlicher Knödel Verliebtheit, sie lachen und grübeln über Babynamen, während ich breitbeinig in einem fremden Bett auf einem fleckigen Bettlaken liege, kaum mehr ansprechbar, ein winselnder Welpe, und mit teurem Koks für billigen Sex präpariert werde. Raus! Raus, raus, raus! Mit zittrigen Fingern versuche ich das Handy dazu zu bringen, die richtige Nummer zu wählen.
    »Ja?«
    »Ich bin’s. Kann ich vorbeikommen?«
    »Klar, aber gib mir noch eine halbe Stunde. Der Sheriff ist eben erst aus dem Haus, und ich muss noch duschen.«
    Natürlich kann ich ihm keine halbe Stunde geben. Nicht in meinem Zustand. Ich ziehe mich an und setze mich in die nächste Bahn. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher