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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman
Autoren: Heyne
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sie?) bereit wäre, seine (ihre?) jährlichen fünf Euro zu teilen. Lene fand meine Witze übrigens auch schon mal besser, aber der sei immer noch besser gewesen als der mit der Anal-Philosophie. Ein Kind im Mutterleib bekäme ja viel mehr mit, als man meine, und, das müsse ich verstehen, dieses vulgäre Sprachgehabe sei ab jetzt genauso unangebracht wie der ganze Rest.
    »Ich werde nie wieder ein schlimmes Wort sagen, versprochen. Nur noch FSK 6.«
    »Das ist lieb von dir, Puppe.«
    Es ist das erste Nette, was ich heute von Lene höre, und das tut so gut, dass ich sofort mehr davon will. »Ich sage nicht mehr Scheiße , sondern nur noch Vogelkacke . Und, und nie mehr das F-Wort! Guck! Ich hab’s gar nicht mehr ausgesprochen!«
    »Ist schon gut, Puppe. Danke.«
    »Du hast völlig Recht. Ein bisschen Niveau muss sein.«
    »Schön, dass du das verstanden hast. Du, ich muss jetzt langsam Schluss machen, Andy hat das Essen fertig.«
    »Wer ist Andy?«
    Lene stöhnt. »Mein Freund. Ich muss jetzt echt auflegen. Wir hören uns.«
    Und dann klickt es in der Leitung. Lene hat das Gespräch beendet, einfach so. Ich bleibe mit dem Telefonhörer am Ohr stehen und höre dem monotonen Tuten zu. Er hat einen Namen. O Mann. Ich glaube, sie meint es wirklich ernst. Nach einigen Sekunden wird aus dem Tuten ein einziger langer Ton, der mich aus meiner Schockstarre reißt. Ich setze das Telefon in die Ladestation und mich auf die Couch. Mein Kopf fühlt sich dumpf an, und alles, was mein Gehirn noch imstande ist zu produzieren, ist ein riesiges » HÄ ?« Erst kreist es nur um meinen Schädel herum, dann weitet es seine Flugbahn aus, schwirrt unkontrolliert durch den Raum, und ich muss aufpassen, dass es mich dabei nicht k. o. haut.
    Nicht, dass ich jemand wäre, der nicht nachdenken würde. Nein, nein. In meinem Kopf geht’s eigentlich immer rund. So rund sogar, dass es runder schon fast nicht mehr geht. Aber wenn es eins gibt, worüber ich noch nie nachgedacht habe, dann definitiv, ob das Leben, das wir führen, Lene und ich, so, wie wir es führen, okay ist. Oder ob ich mir ein anderes wünschen würde. Es ist doch ein Spitzenleben! Ich frage mich wirklich, ob Lene sich schon öfter mit dem Gedanken herumgeschlagen hat, etwas ändern zu wollen. Aber warum sollte sie überhaupt etwas ändern wollen? Es ist doch ein Spitzenleben! Und hätte ich es nicht mitbekommen müssen, wenn Lene unzufrieden gewesen wäre? Wir sind doch Titten! Vielleicht zwingt man sie wirklich dazu. Vielleicht will sie das alles gar nicht, Mann, Kind, usw. Oder war es vielleicht eine Kurzschlussreaktion? Vielleicht gab es während des Flugs einen Sauerstoffabfall, weil sie in irgendein Luftloch-Dingsbums geflogen sind? So was passiert doch ständig! Vielleicht ist da auch in ihrem Gehirn irgendwas abgefallen aufgrund des … Keine Ahnung, wie Turbulenzen auf das menschliche Hirn wirken können. Ich bin ja kein Aero-Airline-Luftdruck-Mann-Frau-Irgendwas, also jemand, der das erklären könnte, aber irgendwas, irgendwas , kann doch hier wirklich nicht stimmen!? Immerhin ist es doch ein Spitzenleben !?
    Ich muss unbedingt noch mal mit ihr sprechen. Und dazu muss ich sie hierherbekommen. Ja, wenn sie erst mal hier wäre, würde sie mir sagen können, was wirklich dahinter steckt. Hier ist niemand, der sie unter Druck setzt. Hier fühlt sie sich frei … Und wenn dieser Typ aus dem Flugzeug sie wirklich zu diesem Familiending gezwungen hat – o Mann, der wird mich kennenlernen! Ich werde Lene retten. Aber so was von!
    »Lene, ich bin’s nochmal«, sage ich zu meinem Spiegelbild. »Du, ich weiß, dass du im Moment viel um die Ohren hast. Ich hab dafür absolut unglaublich volles Verständnis …« Neeeee. Die Formulierung muss schon sitzen. Ich darf nicht stammeln oder stottern, ich muss selbstsicher und überzeugt klingen. Wie Otto, mein Chef in der Agentur, immer sagt: »Du kannst den größten Schwachsinn verkaufen, Hauptsache, er ist überzeugend verpackt.« Ich nenne das gerne die »Otto-Methode«. Also nochmal: »Lene, ich bin’s. Du hast im Moment viel um die Ohren, und ich hab dafür natürlich vollstes Verständnis. Aber bei mir ist in den letzten drei Monaten auch einiges passiert.«
    Ja, gutes Intro. Jetzt muss ich nur noch überlegen, was mir in den letzten drei Monaten hätte passiert sein können. Müsste ich krank geworden sein, um sie herzukriegen? Hm …
    »Das kann ich dir am Telefon nicht sagen.« Genau. Ich werde Zeit schinden. Die gute halbe
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