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Baltrumer Bitter (German Edition)

Baltrumer Bitter (German Edition)

Titel: Baltrumer Bitter (German Edition)
Autoren: Ulrike Barow
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schon
heimzahlen, da verlassen Sie sich drauf.‹« Wybrands stockte. So, als müsste er
all seinen Mut zusammennehmen, um die Geschichte zu Ende zu bringen.
    »Ich habe doch gestern schon gesagt, dieser Steenken …«
Ein scharfer Blick von Luiken brachte Kockwitz zum Schweigen.
    »Lohmann konzentrierte sich wieder auf seine Angel und schien
mich einfach vergessen zu haben. Neben seinem Stühlchen stand ein Eimer mit
jeder Menge Wattwürmern drin. Wenn er die noch alle verfüttern will, kann ich
lange auf ein klärendes Gespräch warten, dachte ich ziemlich sauer und
überlegte gerade, den Eimer in hohem Bogen ins Wasser zu schmeißen, als die
Angel sich ruckartig nach unten bewegte. Nicht sehr weit, aber doch deutlich
spürbar. Lohmann hat mich angegrinst und dann die Angelschnur Meter für Meter
eingeholt. Als ich den Fisch sah, der daran zappelte, musste ich lachen. Nicht
größer als zehn bis fünfzehn Zentimeter.« Wybrands zeigte den Ermittlern mit
beiden Händen die ungefähre Größe. »Lohmann hat geflucht und wutentbrannt nach
dem Fisch gegriffen. ›Warum kein Wolfsbarsch, verdammt noch mal, sondern nur
dieses Häppchen‹, hat er gegrummelt. Ich glaube, der war total sauer über
seinen Fang, weil er in mir schließlich einen Beobachter hatte. Dann aber
passierte das Unglaubliche. In dem Moment, wo er das Fischlein von der Angel zu
lösen versuchte, stöhnte er plötzlich auf: ›Verdammt. Ich glaube, das
Scheißding hat mich gestochen.‹ Er schaute völlig konsterniert in seine Hand,
und tatsächlich steckten dort ein paar Stacheln drin. Im gleichen Moment schien
die Hand anzuschwellen und rot, nein, fast blau anzulaufen.«
    Die Kommissare schauten sich an. Allen stand das gleiche
ungläubige Staunen ins Gesicht geschrieben. Giftfische? Hier an der Nordsee?
Davon hatte noch keiner von ihnen gehört. Aber hatten die Ärzte nicht auch von
einer eventuellen Vergiftung gesprochen?
    »Erzählen Sie weiter, Herr Wybrands«, forderte Berend Luiken
ihn auf.
    »Die Hand wurde dick. Dann der ganze Arm und Lohmann bekam
ziemlich starke Schmerzen. Aber er schrie nicht. Zumindest nicht zu Anfang. Es
war, als hätte seine Stimme vor Schreck den Dienst verweigert. Sein Körper
zuckte unkontrolliert und langsam rutschte er vom Hocker herunter auf die
Buhne. Überall an seinem Oberkörper – also da, wo sein T-Shirt nach oben
geschoben war – konnte ich dicke Wasserblasen sehen.«
    Röders Gedanken gingen zurück zu dem Moment, als sich Lohmanns
Hände in sein Hemd gekrampft hatten. Es stimmte. Auch er hatte diese Blasen an
dem aufgedunsenen Körper des Mannes bemerkt.
    »Ich habe mich dann über ihn gebeugt und wollte gerade fragen,
ob ich den Arzt anrufen soll, da fing er an zu schreien. Glauben Sie mir, es
war unheimlich. Ich habe in meinem Leben noch nie einen Menschen so schreien
hören. Und kurz danach tauchten Sie auf, Herr Röder.«
    »Und warum sind Sie abgehauen?«, hakte Röder nach. »Wenn es
nicht Sie waren, sondern ein kleiner Fisch, der Lohmann außer Gefecht gesetzt
hat? Warum fragen Sie den Mann eigentlich noch, ob Sie einen Arzt anrufen
sollen, wenn der nach Ihrer Aussage vor Schmerzen unkontrolliert zuckend auf
der Buhne liegt? Das ist doch wohl eine Selbstverständlichkeit, Hilfe
herbeizuordern!«
    »Da haben Sie recht. Aber stellen Sie sich die Situation vor.
Der Mann fasst einen Fisch an und kippt danach vom Stuhl. Was sollte ich in
diesem Moment davon halten? Ich war völlig ratlos. Einerseits sah es wirklich
so aus, als ob der Mann Hilfe brauchte. Auf der anderen Seite kam mir spontan
der Gedanke, der spielt mir was vor, damit ich aufgebe. Genau das dachte ich.
Dann waren Sie da!« Wybrands deutete mit zitterndem Zeigefinger auf den Inselpolizisten.
»Mir wurde plötzlich klar, wie prekär meine Situation war. Da liegt der dicke
Bürgermeister auf der Buhne, schnappt vor Schmerzen nach Luft, wie der Fisch,
den er bis vor Kurzem noch in der Hand gehalten hatte, wird immer blauer am
ganzen Körper, und ich stehe über ihn gebeugt. Tja, und da bin ich einfach
abgehauen. Unter anderen Umständen hätte ich sicher vernünftiger gehandelt.
Aber im Moment bin ich nervlich ziemlich angeschlagen. Verstehen Sie das?«
    »Wo waren Sie heute Nacht?«
    »Muss ich Ihnen das sagen? Ist das wichtig? Ich habe Ihnen doch
alles mitgeteilt, was ich weiß.« Wybrands griff nach der halb leeren
Kaffeetasse, nahm einen Schluck und verzog das Gesicht.
    »Kalter Kaffee ist auch nicht unbedingt etwas, das wir
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