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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall
Autoren: Mary Nichols
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auf. “Es war sein Sohn, der den Schuss abgefeuert hat, nicht ich. Und es ist auch nicht seine Familie, in welcher jetzt Trauer herrscht.”
    “Wird man ihn vor Gericht stellen?” Margaret hörte auf zu schluchzen und trocknete sich die Augen mit einem Taschentuch.
    “Wer sollte ihn denn anklagen?”, erwiderte die Mutter verbittert. “Sein Vater ist der Gutsherr und außerdem Richter im Distrikt. Es wird als ein Unfall hingestellt werden, und das ist auch besser so, denn Duelle sind verboten, und Freddie ist ja auch nicht schuldlos an dieser Affäre.”
    “Mama!”, protestierte Freddie.
    Aber die Mutter war inzwischen schon wieder bei anderen Gedanken. “Was soll nur aus uns werden”, jammerte sie. “Ohne deinen Papa …”
    “Mama, ich denke, du solltest dich jetzt hinlegen. Ich werde nach Doktor Dunsden schicken, damit er dir ein Beruhigungsmittel gibt und du ein wenig schlafen kannst.” Susan als die älteste der Schwestern übernahm jetzt die Oberaufsicht. “Später werden wir dann über die weiteren Dispositionen nachdenken.”
    In diesem Augenblick näherte sich dem Haus ein Pferd in raschem Galopp, und bald darauf erscholl ein lautes Klopfen an der Haustür. Eine der Mägde öffnete und kam dann ins Zimmer, um den Earl of Blackwater anzumelden.
    “Er verliert wahrhaftig keine Zeit”, murmelte Freddie, während der Earl in einem Jagdrock, hirschledernen Reithosen und kniehohen glänzenden Stiefeln über die Schwelle trat. Er trug eine kurze braune Perücke, und man hätte glauben können, dass er auf seinem üblichen Morgenritt sei, wären da nicht die trüben Augen und die versteinerte Miene gewesen.
    Mit einem raschen Blick erfasste er die Szene und blieb stehen. “Wir müssen miteinander reden, Anne”, sagte er ruhig.
    “Ja”, erwiderte die Mutter teilnahmslos, während die anderen ihn wegen der vertraulichen Anrede verblüfft anstarrten. “Aber hat das nicht noch Zeit? Mein Gemahl ist doch kaum …”
    “Ich weiß, und es tut mir leid. Aber schicke bitte die Mädchen hinaus. Es gibt Dinge zu regeln …”
    “Ja, ja, unser Wohnrecht hier …”
    “Großer Gott, hältst du mich für ein gefühlloses Monster? Das habe ich nicht gemeint, und du weißt es auch. Es geht um das Duell. Zweikämpfe sind verboten. Die Jungen haben das Gesetz gebrochen, und als Ergebnis davon wurde ein Mann getötet – ein völlig unbeteiligter Mann, was es ganz besonders unentschuldbar macht.”
    “Glaubst du, ich bin mir darüber nicht im Klaren?”, rief die Mutter. “Wie kannst du überhaupt hierher kommen, nachdem dein Sohn mich meines Gatten beraubt hat …” Sie gab ihre würdevolle Haltung auf, um die sie so hart gekämpft hatte, und begann hemmungslos zu weinen.
    “Mama! Mama! Weine doch nicht so sehr!” Lydia schlang schluchzend die Arme um den Hals der Mutter.
    “Susan, bringe deine Schwestern hinaus”, befahl der Earl. “Deine Mutter, Freddie und ich werden entscheiden, was weiter geschehen soll.”
    Susan zog Lydia sanft von der Mutter weg. “Komm, wir müssen uns um Annabelle und John kümmern. Wer weiß, was sie inzwischen für Unfug angestellt haben. Sie sind ja beide eigentlich noch zu jung, um alles zu verstehen. Aber wir müssen versuchen, es ihnen zu erklären.” Sie nahm Lydia und Margaret bei der Hand und verließ mit ihnen das Zimmer.
    Auch später dann hatte Lydia nie genau erfahren, was in jener Stunde im Frühstückszimmer gesprochen worden war. Das Einzige, was ihr für immer im Gedächtnis blieb, war die Tatsache, dass an dem Tag, da sie ihren Papa verlor, auch der geliebte ältere Bruder aus ihrem Leben verschwand. Er wartete nicht einmal die Beisetzung ab, sondern machte sich noch in derselben Nacht auf den Weg.
    “Es war das Beste so”, erwiderte die Mutter, als Lydia danach fragte. “Seine Lordschaft konnte nicht über die Tatsache hinwegsehen, dass das Gesetz gebrochen wurde.”
    “Ja, aber von seinem Sohn und nicht von Freddie”, widersprach Lydia.
    “Sie haben beide Schuld auf sich geladen, und Ralph ist gleichfalls in die Verbannung geschickt worden. Seine Lordschaft hat seinen einzigen Sohn und Erben gezwungen, das Land zu verlassen. Und nun müssen wir beide zusehen, wie wir ohne unsere Söhne zurechtkommen.”
    “Das klingt ja, als tue dir der Earl leid!”
    “So ist es auch. Er kann doch nichts dafür.” Die Mutter wollte Lydia an sich ziehen. Doch die Kleine sträubte sich dagegen, Trost von ihr anzunehmen.
    “Aber es war Ralphs Schuld. Freddie
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