Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ballaststoff

Ballaststoff

Titel: Ballaststoff
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
wünschten. Diese zackigen, unregelmäßigen Wundränder und Scharten an den Knochen weisen klar auf Tierfraß durch Säugetiere hin. Im Uferbereich erkennt man ganz schwach noch die Abdrücke von Tierfüßen.«
    »Könnte denn das hier ein Golfunfall sein?«
    »Natürlich, Golfbälle können böse Waffen sein, die sogar zu Frakturen der Schädeldecke führen können. Durch den fortgeschrittenen Madenfraß ist die Morphologie der Wunde am Hinterkopf allerdings von hier aus nicht mehr zu beurteilen. Das muss ich mir im Institut genauer anschauen. Da kann ich dann sehen, ob der Knochen durch einen Schlag, Sturz oder vielleicht einen Golfball in Mitleidenschaft gezogen wurde.«
    Steffen ließ seinen Blick einen Moment auf dem Körper ruhen.
    »Der Mann könnte natürlich auch ertrunken sein. Nun ja, ich werde es herausfinden. Bis dahin müsst ihr euch gedulden.«
    »Und wie siehst du das mit dem Tatort? Gleich Fundort?«
    »Auch das kann ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht sagen. Lass mich erst mal den Menschen bei mir auf dem Tisch haben. Ich entnehme gleich noch ein paar Maden und Puppen von Calliphora vicina species und Lucilla caesar, der Kaisergoldfliege, die sich hier an der Futterstelle tummeln. Und dann werde ich anhand der Larvenstadien eine zumindest grobe PMI-Bestimmung durchführen können.«
    Fast schien es, als würde den Rechtsmediziner beim Gedanken an die Arbeit, die vor ihm lag, Vorfreude überkommen. Er schob seine Brille hoch und hockte sich neben den Kopf des Toten. Mit einem Vergrößerungsglas vorm Auge, sammelte er mit zierlichen Bewegungen winzige Dinger in kleine Kunststoffbehältnisse.
    »Ach, übrigens, wann, hatten wir gesagt, kommst du heute Abend zum Essen zu uns?«, fragte er dabei unvermittelt seinen Freund Georg.
    »Acht Uhr, so weit ich weiß. Aber wenn dir das zu früh ist …«
    Steffen hielt in seiner Tätigkeit inne und Angermüller vermeinte, in den Fängen der Pinzette etwas Winziges sich krümmen zu sehen.
    »Nein, das passt wunderbar. Ich werde dich mit einem Fischgericht überraschen, das ist nicht so zeitaufwendig. Und alles davor und danach habe ich schon vorbereitet. Ich denke, du wirst begeistert sein. David hat seine neueste Entdeckung kalt gestellt: einen herzhaften, trockenen Weißburgunder von einem kleinen Weingut aus der Saale-Unstrut-Region.«
    »Das hört sich wirklich sehr gut an. Ich bin neugierig, womit du mich heute wieder verwöhnen wirst, Steffen. Ich freu mich drauf.«
    Angermüllers Aussage entsprach nicht so ganz der Wahrheit. Angesichts des Anblicks, des Geruchs und der Fliegen lag ihm in diesem Moment nichts ferner als der Gedanke an genussvolle Tafelfreuden. Doch sein Freund war viel zu absorbiert von seiner Tätigkeit, als dass ihm das aufgefallen wäre.
    »Die Larvenstadien kann man anhand der Anzahl der Atemöffnungen am Hinterteil erkennen«, erklärte er geradezu beglückt, während er weiter Material aus der Wunde am Hinterkopf sammelte. »Übrigens, wusstest du, dass Fliegenmaden tatsächlich bis zur Hüfte im Futter stecken können, da sie mit ihrem Hinterkörper atmen?«
    »Nein, das war mir nicht bekannt«, antwortete Georg höflich, »ist ja wirklich interessant.«
    Jansen verzog angeekelt sein Gesicht.
    »So weit erst mal. Mehr kann ich euch nicht erzählen. Ach, Schorsch«, Steffen hörte auf, seine Gläschen und Döschen zu füllen und blickte hoch zu seinem Freund. »Wie war es denn eigentlich in St. Lorenz?«
    »Äh«, machte Angermüller überrascht, »das erzähle ich dir heute Abend.«
    Ein kurzer Blick von Jansen streifte ihn und Steffen, aber Angermüller kannte seinen Kollegen inzwischen lange genug, um zu wissen, dass es in dessen Kopf arbeitete. Wahrscheinlich würde irgendwann eine entsprechende Frage kommen.
    »Nun gut. Wenn die Männer vom Beerdigungsinstitut mit dem Sarg da sind, können wir unseren Mann hier umdrehen und weitersehen«, stellte Steffen fest.
    Ein kurzer Moment der Abwehr durchzuckte Angermüller und er sah auf seine Hände.
    »Hier. Hab ich für dich mitgebracht.«
    Als ob er seine Gedanken hätte lesen können, hielt Jansen ihm ein Paar Einweghandschuhe vor die Nase.
    »Danke. Sehr fürsorglich«, murmelte Angermüller, während er die Latexhüllen in seine Hosentasche stopfte.
    Eine durchsichtige Plastiktüte schwenkend, kam der neue Kriminaltechniker zu ihnen gelaufen. »Hier. Haben wir auf dem Trampelpfad gefunden.«
    »Wat is dat denn?«, fragte Jansen und rümpfte die Nase.
    »Ein linker Schuh,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher