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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und ich habe Guri Jakowlewitsch bedient. O Babkin, hatte der einen breiten Oberkörper! Und wer seine schmalen Hüften kennt …«
    O nein, nein, nein! schrie Babkin innerlich. Ausgerechnet Blistschenkow, dieser Erzheuchler! Küßt dem Lenindenkmal die Füße und schleicht dann abends hintenherum in die Kirche! Alles eine einzige Bande! Der Pope, der Nachbar Metzger, der Briefträger, der Stadtsowjet! In welch einer Welt habe ich da gehaust! Nur Betrug und Lüge! Oh, könnte man doch wieder leben …
    »Wie soll ich es dir erklären, Babkin«, sagte Nina Romanowna, das Frauchen, für dessen Treue Babkin durchs Feuer gewandelt wäre. »Vor zweiunddreißig Jahren war ich in dich verliebt, wie nur ein junges Mädchen verliebt sein kann. Jetzt, ganz ehrlich sage ich es, bin ich verliebt in Blistschenkow. Warum wohl hat man mich in die Partei aufgenommen? Blistschenkow hat für mich in Tobolsk mit goldener Zunge geredet, bis die hohen Genossen den Antrag genehmigten. Kann sein, daß Guri und ich heiraten, natürlich erst nach dem Trauerjahr. Du kennst ja Ulorjansk! Man muß den Leuten die trauernde Witwe vorspielen, solange es schicklich ist …«
    Vorspielen! Babkin hätte die Augen vor Wut verdrehen mögen. Eine gebrochene Witwe spielt sie der Umwelt vor und liegt mit Isaak, Jakow und Guri im Bett! Abwechselnd, so wie sie die Kartoffeln zubereitet – mal mit Salz, mal mit Speck und mal mit saurer Sahne …
    Wo ist ein Mensch, der dich in meinem Namen anspuckt! O je, o je, daß ich das anhören muß …
    Nina Romanowna erhob sich vom Stuhl. Ihr Herz hatte sie ausgeschüttet – jetzt begann wieder das alltägliche Leben.
    »Aber schön begraben sollst du werden, Babkin!« sagte sie und lächelte ihrem Mann verheißungsvoll zu. »Man wird singen und Musik spielen an deinem Grab, Blistschenkow wird eine Rede halten, Isaak wird einen halben Ochsen braten für all die Gäste, und wir alle werden dich laut beweinen. Zwar wird das teuer werden, gar nicht daran denken darf ich – aber das ist es mir wert, um dich würdig in die Erde zu bringen.«
    Zum fünften Mal putzte sie sich die Nase, schlug das Kreuz über ihre bemerkenswerte Brust und verließ, plötzlich mit einem naturgetreu gespielten Schluchzen, das Zimmer.
    Wadim Igorowitsch war so elend zumute, daß er hätte sterben mögen, wenn er nicht schon tot gewesen wäre. Welch ein Leben war das, dachte er. Welch ein trauriges Leben …
    Der nächste, der ins Zimmer kam, sich mit Leidensmiene auf den Stuhl am Fußende des Bettes setzte und durch die flackernden großen Kerzen auf Babkin starrte, war Boris Witalowitsch Pyljow, Babkins Schwiegersohn und Lehrer an der Schule von Ulorjansk.
    Mit Pyljow war das so eine Sache. Babkin hatte ihn nie gemocht – warum, das wußte er nicht zu erklären. Schon bei der ersten Begegnung mit Pyljow hatten sich ihm die Nackenhaare gesträubt wie bei einem Hund, der seinen fauligen Knochen verteidigt. Als Pyljow Babkins älteste Tochter heiratete, hatte der nur deshalb seine Einwilligung gegeben, weil Nelli behauptete, im Vorgriff auf eine gesunde und anständige Familie, bereits schwanger zu sein.
    Das stellte sich nach der Hochzeit als Falschmeldung heraus. Babkin schrie von Betrug und mochte Pyljow noch weniger leiden. Sechs Jahre waren sie nun verheiratet, und noch immer war kein Kind da. Ein glatter Versager, dieser Boris Witalowitsch!
    Babkin, der so gerne Großväterchen geworden wäre und es dann durch Walentinas Bankert geworden war, hatte Nelli immer bedauert. Sie war keine Schönheit, aber ein strammes Mädchen und hatte alles das, was man als Frau haben muß, an der richtigen Stelle. Was wollte der Lehrer Pyljow noch mehr? Nelli war gebaut für sieben Kinderchen – und keines kam. Gebt zu, Genossen, das ist eine Schande!
    Pyljow kratzte sich die kleine Nase, wischte sich dann über sein etwas weibisch wirkendes Gesicht und lockerte seine Krawatte. Er war einer der wenigen Leute von Ulorjansk, die einen Schlips trugen, und verteidigte das damit, daß er als Lehrer eine Respektsperson sein müsse.
    Wer hier am Tobol, im weiten Sibirien eine Krawatte trug, dazu noch eine Krawatte von auffälligem buntem Muster – sie war rot-grün gestreift und bedruckt mit lauter silbernen Sternchen – galt als etwas Besonderes. Der Luxus solch einer bunten Halsbinde wurde überall anerkannt.
    »Mein liebes Väterchen Babkin«, begann Pyljow stockend.
    Babkins Herz machte einen Sprung. O je, dachte er. Wer so seine Rede anfängt, den beutelt
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