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B00DJ0I366 EBOK

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Titel: B00DJ0I366 EBOK
Autoren: Friederike Schmöe
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sie die Brille ab. »Ich hatte genug damit zu tun, Petes Sprösslinge einzuordnen. Außerdem war dein Großvater sehr konventionell.«
    Sam sieht Blanca erstaunt an.
    »Doch, war er, you know.« Blanca quält sich ein Lächeln ab. »Aber außer uns leben ja alle anderen Verwandten in den Staaten, und bei der Entfernung bist du dir nicht so nahe, wie du es wärst, wenn du nicht immer extra einen Flug buchen müsstest, um die Sippe zu sehen. Wenn du bei deinen Cousinen einfach zu einer Tasse Kaffee anrücken könntest. Spontan. Naja. Isaac richtete sich in seinen Wertvorstellungen sehr nach seinem Vater. In dieser Hinsicht gab es keine räumliche Distanz.«
    Sam kommt der Gedanke, dass Isaacs früher Tod ihrer Großmutter eine Tür zu einem neuen Leben geöffnet hat.
    »Deine Mutter hat sich eine Weile sehr für Freds Kinder interessiert. Immerhin sind die sieben ihre Cousinen und Cousins. Wir haben sie zuweilen ›die sieben Schwaben‹ genannt und Witze gemacht. Du weißt schon. Dass wir so viele Familienangehörige haben, die wir auf der Straße gar nicht erkennen würden.«
    Das ist Sam neu. Dass Victoria sich für jemanden besonders interessiert haben soll. Sam kennt ihre Mutter vor allem als vernarrt in die Kunst. In die Geschichte der Kunst. Und in ihr eigenes Werk.
    »Joanie hat zwei Jungen«, sagt Sam in Gedanken.
    »Joanie ist …«
    »Joanie ist die älteste Tochter von Petes mittlerer Tochter.«
    »Hilfe!« Blanca sieht Sam an. »Kannst du meine Verzweiflung verstehen?«
    Sam grinst. »Niemand kann da durchblicken.«
    »Well said.«
    »Ich bin mit Joanie sporadisch über Facebook in Kontakt.«
    »Ich nutze Facebook bloß zum Spielen.« Blanca nimmt ihre Brille in die Hand und dreht sie hin und her.
    »Zum Spielen?«
    »Schau nicht so entsetzt. Für meine Generation sind Online-Aktivitäten nicht das Schlechteste. Du kannst dich beschäftigen, Reaktionsschnelle und logisches Denken schulen und musst dazu nicht mal aus dem Haus.«
    »Ich wusste überhaupt nicht, dass du einen Computer hast!«
    »Igor hat mir seinen alten überlassen.«
    »Igor?«
    Blanca lacht. »Schätzchen, du staunst darüber, dass du deine amerikanischen Familienangehörigen nicht auseinanderhalten kannst, dabei bist du nicht einmal auf dem Laufenden, was deinen eigenen Bruder betrifft.«
    »Igor und ich stehen uns nicht besonders nah. Er ist für mich wie ein Fremder. Wenn ich mit ihm länger als eine halbe Stunde zusammen bin, werde ich verlegen, als wäre ich zufällig in das Wohnzimmer eines Unbekannten geraten.«
    »Ich denke, Isaac ging es nicht anders mit seinen beiden Brüdern.«
    »Fred wurde abgelehnt, weil er etwas tat, was in den Augen seiner Familie verachtenswert war«, widerspricht Sam.
    »Schon. Aber wenn Isaac eine enge Bindung zu Fred verspürt hätte, hätte er sich nicht davon abbringen lassen, Kontakt zum schwarzen Schaf zu suchen. Und wenn er es aus Pflichtgefühl getan hätte.«
    Sam tippt auf das Foto. »Du meinst, die Frau neben Victoria könnte eine von Freds Töchtern sein?«
    »Why not? Das Alter würde wahrscheinlich passen. Hast du deine Mutter gefragt?«
    »Sie kann sich nicht erinnern.«
    Blanca sieht Sam lange an. Schließlich schweift ihr Blick ab. Sie beginnt, welke Blätter von den Tulpen zu zupfen. »Das sieht ihr ähnlich«, sagt sie.

4
    Blanca steht noch lange auf der Terrasse, obwohl Sam längst außer Sichtweite ist. Geistesabwesend blickt sie über Büsche und Sträucher.
    Blanca hat heute kein Auge für den Frühling und die aufbrechende Natur, für die Nachbarn, die emsig in ihren Gärten werkeln. Sie lebt wieder in jenem Schicksalsjahr. 1982. Als Coburg ein Blinddarm der westlichen Welt war, eine Delle der Weltgeschichte, an drei Seiten von der DDR umgeben. Als man sich längst an diese eigenartige Position auf der Landkarte gewöhnt hatte.
    Natürlich kann die Unbekannte auf dem Foto keine von Freds Töchtern sein. Er hat erst spät mit dem Kinderzeugen angefangen – zumindest soweit sie weiß. Blanca muss lächeln. Es ist ein schmerzhaftes Lächeln, das ihr die Tränen in die Augen treibt. Sie brauchte Sam gegenüber nur eine schnelle Ausrede.
    1982. Blanca erinnert sich, wie sie Sam übernommen hat. ›Nur für zwei Wochen, Mom!‹, hat ihre Tochter gesagt. ›Ich muss mal raus.‹
    Mein Gott. Grace. Blanca hatte keine Ahnung, dass in den Kisten noch ein Foto von ihr ist. Hat sie nicht alles durchsucht? Sie hat alle Erinnerungen vernichtet. Sam sollte niemals etwas erfahren.
    Blanca hat
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