Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
B00DJ0I366 EBOK

B00DJ0I366 EBOK

Titel: B00DJ0I366 EBOK
Autoren: Friederike Schmöe
Vom Netzwerk:
drin.«
    Die Fahrertür des Wagens steht offen. Man sieht ein Männerbein herausragen, schicke Halbschuhe und eine Anzughose.
    »Wer ist das?«, fragt Luna.
    Sam zuckt die Schultern. »Keinen Schimmer.«
    »Wo wurde die Aufnahme gemacht?«
    »Im Süden, schätze ich. Italien, Spanien?«
    »Frag deine Mutter, Schätzchen. Sie wird ja wohl wissen, wo sie damals Urlaub gemacht hat.« Luna steht auf. »Ich muss los.«
    »Gehst du noch mal ins Atelier?«
    »Was bleibt mir übrig? Nächste Woche fahre ich nach Frankfurt. Treffe ein paar Leute mit todschicken Läden. Die sollen natürlich eine Lu-Naht-Kollektion kaufen.«
    Sam ignoriert Lunas gespielt gestressten Blick. Ihre Freundin lebt für ihren Job. Sie liebt Geschäftsverhandlungen, genießt es, um Verträge zu kämpfen und mit einem Sieg abzuschließen. Luna traut sich an die richtige Mode. An Klamotten. Blazer, Blusen, Hosenanzüge. Sam wünscht, sie könnte ebenso für ihre Arbeit brennen. Aber ihr Job ist eben nur ein Job für einen anderen. Sam setzt nicht ihre eigenen Träume um, sondern die Visionen des Labels, für das sie arbeitet. Und dabei geht es leider nicht um schicke Sachen zum Anziehen, sondern um Kissen, Steppdecken, Vorhänge und Kleinzeug für Küche und Bad.
    »Danke, Luna!«
    Luna küsst Sam auf die Wange. Einer ihrer Ohrhänger streift Sams Lippen.

2
    Der Himmel hängt tief, als Sam am nächsten Morgen aufsteht. Ihre Zwei-Zimmer-Wohnung hinter der Morizkirche lässt wenig Blick in die Natur zu, dafür auf die Südseite der Kirche, die Pfarrgasse und die Schüler, die sich kurz vor acht um das Gymnasium gleich um die Ecke drängen. Unselige Erinnerungen, denkt Sam lächelnd. Dabei ist ihr gar nicht zum Lächeln zumute. Sie hat kaum geschlafen. Die Luft war drückend in der engen Wohnung, und auch durch das offene Fenster drang kaum Abkühlung herein.
    Sam gießt Tee auf und lässt sich an ihrem Arbeitstisch nieder. Seit sie bei Ralf ausgezogen ist, aus seinem schicken Würfelhaus am Hang in Pilgramsroth, genießt sie das Leben im Stadtzentrum, umgeben von historischen Gebäuden und umtost vom Alltag einer temperamentvollen Kleinstadt. Sie liebt es, ihren eigenen Rhythmus zu leben, ohne auf Ralfs Termine eingehen, sich nach ihm richten zu müssen. Nicht, weil sie das abgesprochen hätten, sondern weil er schlicht davon ausging, dass Sam es sein würde, die sich anpasst. Dass sie, die Freelancerin, ihr Werkzeug fallen lässt, wenn Ralf früher heimkommt. Wenn er Kollegen zum Essen mitbringt.
    Es ist aus, denkt Sam, und erinnert sich an Lunas Worte: »Sei froh, dass du den Typen los bist!«
    In Liebesdingen ist Luna cool. Das Problem ist nur, dass Sam Ralf gar nicht los sein wollte. Nicht so schnell und nicht so radikal. Sein Auftritt an jenem Abend kurz nach Neujahr – ein Schock. »Ich gehe. Ich halte deine Familie nicht mehr aus.«
    Es ging nicht um mich, denkt Sam knapp und presst die Lippen zusammen. Es geht nie um mich. Es geht um die Familie.
    Um sich abzulenken, schaltet Sam den Computer ein. Sie klickt das Designprogramm an, mit dem sie ihre Stoffentwürfe digitalisieren kann. Die Software ist neu, sie benötigt Zeit, um sich einzuarbeiten. Aber heute fehlt ihr die Konzentration. Die Fotokiste steht immer noch auf dem Teppich. Sam nippt an der Teetasse und kauert sich vor den Karton. Das Bild mit Victoria und der Unbekannten lässt sie nicht los. Sie betrachtet das verblichene Foto. Victorias Züge kennt sie. Schon als sie jung war, lag Anspannung auf ihrem Gesicht. Sam hat wenige Aufnahmen aufgestöbert, wo ihre Mutter fröhlich lacht oder offen in die Kamera blickt. Und dann die Gesichtszüge der Unbekannten. Sams Zeigefinger fährt über das Foto. Ihre Familie ist wahrhaftig weitläufig. Vielleicht ist die Unbekannte irgendeine Cousine aus den USA, von der Verwandtschaft ihres Großvaters.
    Das fand Ralf schick an Sam: eine Familie mit Wurzeln in den Staaten. Das klang exklusiv in Ralfs Ohren. ›Wie geil ist das denn! Deswegen hast du einen englischen Vornamen‹, prahlte er auf einer Party, wobei er Sams Haar verwuschelte.
    Blanca heiratete Ende der 40er einen Amerikaner. Einen Reporter namens Isaac aus Albany, New York, der gekommen war, das verheerte Land abzulichten. Isaac bestand darauf, dass der Familienname, May, einzig und allein mit englischen Vornamen zusammenpasste. So wurde Blancas und Isaacs Tochter auf den Namen Victoria getauft, und Victoria bewahrte die Tradition, indem sie ihre Erstgeborene Samantha nannte. Doch bald
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher