Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
Vom Netzwerk:
zu beginnen, konnte es sich Ben nicht verkneifen, einige vage, vorsichtige Fragen zu stellen, als er die senile Geschwätzigkeit eines der schlechtgekleideten Müßiggänger bemerkte. Jacksons frühere Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß es sinnlos wäre, mit Anspielungen auf die seltsamen Statuen zu beginnen; er beschloß, Wheeler als einen Bekannten zu erwähnen, an dessen Schicksal wir füglich mit Recht interessiert sein durften.
    Den Leuten schien es nicht recht zu sein, als Sam mit dem Schnitzen aufhörte und zu reden begann, auch wenn sie wenig Grund zur Beunruhigung hatten. Aber selbst dieser barfüßige alte Bergschrat verstummte sofort, als er Wheelers Namen hörte, und nur mit viel Schwierigkeiten konnte ihm Ben einige zusammenhängende Worte entlocken.
    »Wheeler?« hatte er schließlich geschnauft. »O ja, der Kerl, der die ganze Zeit über Felsen sprengte und Statuen daraus machte. Ihr habt ihn also gekannt, he? Da gibt's nich' viel, was wir euch erzählen können, und vielleich' ist das schon zuviel. Er wohnte in der Hütte des Verrückten Dan in den Bergen - aber nicht sehr lang. Bis er nichts mehr wollte - das heißt von Dan.
    War 'n Süßholzraspler und schwänzelte um Dans Frau herum, bis es der alte Teufel merkte. Hatte sich in sie verknallt, glaub'
    ich.
    Hat sich dann plötzlich davongemacht, und seither hat niemand mehr was von ihm gesehen. Dan muß ihm den Wind von vorn gegeben haben - 'n übler Bursche, dieser Dan, wenn man ihn zum Feind hat.
    Besser, ihr haltet euch fern von ihr, Jungs, denn in diesem Teil der Berge nützt sie euch nichts. Dans Laune wurde immer schlechter, er hat sich nicht mehr blicken lassen. Seine Frau auch nicht. Ich vermute, er hat sie irgendwo eingesperrt, damit ihr kein anderer schöne Augen machen kann!«
    Als Sam nach einigen weiteren Bemerkungen mit dem
    Schnitzen fortfuhr, wechselten Ben und ich einen Blick. Hier gab es gewiß eine Spur, die man gründlich verfolgen mußte. Wir beschlossen, im Hotel abzusteigen, und richteten uns so schnell wie möglich ein; für den nächsten Tag planten wir, uns in die rauhe Bergwelt zu stürzen.
    Gegen Sonnenaufgang brachen wir auf. Jeder trug einen Rucksack, beladen mit Vorräten und Gerätschaften, die wir für nötig hielten. Der vor uns liegende Tag hatte den beinahe anregenden Hauch einer Verlockung, mit einem vagen Unterton des Unheimlichen. Unsere holprige Bergstraße stieg sehr bald in vielen Windungen steil an, so daß uns binnen kurzem die Füße tüchtig schmerzten.
    Nach rund zwei Meilen verließen wir die Straße, überquerten zur Rechten eine Steinmauer in der Nähe einer großen Ulme und schlugen einen Querweg zu einem steileren Hang ein, wie uns die Karte und die Erläuterungen, die Jackson für uns vorbereitet hatte, verrieten. Es war ein mühsames, dorniges Unterfangen, aber wir wußten, daß die Höhle nicht weit sein konnte.
    Schließlich stießen wir ganz unvermutet auf die Öffnung - eine dunkle, von Büschen bewachsene Felsspalte, in der der Boden plötzlich anstieg. Daneben, vor einem niedrigen Tunnel im Gestein, stand steif eine kleine, schweigende Gestalt - als wetteifere sie mit der eigenen unheimlichen Versteinerung.
    Es war ein grauer Hund - oder eine Hundestatue, und als unser beider gleichzeitiger Aufschrei erstarb, wußten wir kaum, was wir denken sollten. Jackson hatte nicht übertrieben, und wir konnten nicht glauben, daß es einer Bildhauerhand gelungen war, eine solche Vollkommenheit hervorzubringen. Jedes Haar des prächtigen Fells des Tieres war deutlich zu erkennen. Die Haare auf dem Rücken waren gesträubt, als hätte ein unbekanntes Wesen das Tier überrascht. Ben, der schließlich halb liebkosend das zarte steinerne Fell berührte, stieß einen Ausruf aus.
    »Großer Gott, Jack, das kann keine Statue sein! Schau her -
    all die kleinen Einzelheiten, und wie das Haar ausgerichtet ist!
    Da ist nichts von Wheelers Technik zu sehen! Das ist ein echter Hund aber nur der Himmel weiß, wie er in diesen Zustand geraten ist.
    Ganz wie Stein - faß ihn selbst an. Glaubst du, daß es hier ein seltenes Gas gibt, das zuweilen aus der Höhle austritt und tierischem Leben das antut? Wir hätten uns genauer mit den örtlichen Sagen befassen sollen. Und wenn das ein echter Hund ist - oder ein echter Hund war -, dann muß auch der Mann drinnen ein echter Mensch sein.«
    Mit einer guten Portion Ehrfurcht - fast auch Furcht - krochen wir schließlich auf Händen und Füßen durch den
    Höhleneingang, Ben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher