Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
Vom Netzwerk:
Quartier gewählt hatte. Ich hatte Furcht davor, den überwachsenen, nicht sehr einladenden Pfad hinaufzusteigen, konnte aber nicht zurückbleiben, als Ben entschlossen auszuschreiten begann und kräftig an die wacklige, modrig riechende Tür klopfte.
    Es gab keine Reaktion auf das Klopfen. Etwas an dem Widerhall jagte einem einen Schauder nach dem anderen über den Rücken. Ben ließ sich davon jedoch nicht stören und ging um das Haus herum auf der Suche nach einem unverschlossenen Fenster. Das dritte, das er ausprobierte - auf der Rückseite der armseligen Behausung - ließ sich öffnen. Nach einem Stoß und einem kräftigen Sprung war er im Innern und half mir hinein.
    Der Raum, in dem wir landeten, war angefüllt mit Kalkstein-und Granitblöcken, Bildhauerwerkzeug und Tonmodellen. Wir erkannten sofort, daß es sich um Wheelers früheres Atelier handelte. Bislang waren wir noch auf kein Zeichen von Leben gestoßen, doch hing über allem ein verdammt
    unheilverkündender Staubgeruch. Zu unserer Linken stand eine Tür offen, die wohl zu einer Küche auf der Kaminseite des Hauses führte. Ben trat durch diese Tür, begierig, alles über den letzten Wohnsitz seines verstorbenen Freundes herauszufinden.
    Er war mir weit voraus, als er die Schwelle überschritt, so daß ich zuerst nicht sehen konnte, was ihn zusammenzucken ließ und seinen Lippen einen Schrei des Entsetzens entlockte.
    Im nächsten Augenblick sah ich es ebenfalls - und ich wiederholte seinen Aufschrei so instinktiv wie in der Höhle.
    Denn hier in dieser Hütte, weit von allen unterirdischen Tiefen entfernt, die seltsame Gase produzierten und merkwürdige Nachbildungen bewirken konnten, befanden sich zwei Steingestalten, von denen ich sofort wußte, daß sie nicht unter Arthur Wheelers Meißel entstanden waren. In einem primitiven Lehnstuhl vor der Feuerstelle, festgebunden mit den Überresten einer langen Rohlederpeitsche, hing die Gestalt eines Mannes -
    ungepflegt, schon etwas älter und mit einem Blick grenzenlosen Entsetzens auf dem bösen, versteinerten Gesicht.
    Auf dem Fußboden daneben lag eine Frauengestalt, grazil und mit einem Gesicht, das sehr viel Jugend und Schönheit verriet.
    Sein Ausdruck schien von zynischer Befriedigung zu künden.
    Neben ihrer ausgestreckten Hand stand ein großer Blecheimer, der im Innern leichte Flecken, wie von einer dunklen Ablagerung, aufwies. Wir vermieden es, uns diesen
    unerklärlicherweise versteinerten Leichen zu nähern, und tauschten auch nur karge Vermutungen aus. Daß dieses steinerne Paar der Verrückte Dan und seine Frau waren, ließ sich kaum bezweifeln, aber wie wir uns ihren gegenwärtigen Zustand erklären sollten, war eine andere Sache. Als wir uns erschreckt umblickten, erkannten wir die Plötzlichkeit, mit der sie dies Ereignis überrascht haben mußte - denn alles um uns schien, trotz einer dicken Staubschicht, die gewöhnlichen Haushaltstätigkeiten anzuzeigen.
    Die einzige Ausnahme von dieser Regel der Alltäglichkeit bildete der Küchentisch, in dessen leergeräumter Mitte, wie um Aufmerksamkeit zu erregen, ein dünnes, abgegriffenes, unbeschriftetes Heft lag, das mit einem Zinntrichter von beträchtlicher Größe beschwert war. Ben trat näher, um das Heft zu lesen, und erkannte, daß es sich um ein Tagebuch mit weit zurückliegenden Eintragungen handelte, geschrieben mit einer verkrampften und ziemlich ungeübten Hand. Schon die ersten Worte erregten meine Aufmerksamkeit, und ehe zehn Sekunden um waren, verschlang er atemlos den immer wieder
    unterbrochenen Text - und ich folgte ihm eifrig und blickte über seine Schulter. Beim Weiterlesen - wir waren dazu in das angrenzende Zimmer gegangen, in dem nicht diese gräßliche Stimmung hing - wurden uns viele dunkle Umstände klar, und wir zitterten unter einem Ansturm komplexer Gefühle.
    Und das ist es, was wir lasen - und was der Coroner nach uns las. Die Öffentlichkeit bekam in der Sensationspresse eine im höchsten Maße verfälschte und aufgebauschte Version vorgesetzt, aber selbst diese enthält bloß einen Bruchteil des echten Grauens, welches das einfache Original für uns bot, als wir es allein in dieser modrigen Hütte im wilden Bergland entzifferten, wobei zwei ungeheuerliche Steinabnormitäten in der todesähnlichen Stille des Nebenzimmers lauerten. Als wir fertig waren, steckte Ben das Buch mit einer Geste des Abscheus in die Tasche, und seine ersten Worte waren: »Laß uns verschwinden..
    Schweigend und nervös stolperten wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher