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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück
Autoren: Henry Rider Haggard
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Stille
    schliefen die Seelen der Menschen.
    Doch war ich, und du ...
     
    Mitten in der Strophe brach Ayesha ab, und ich fühlte, mehr als ich es sah, das Entsetzen in ihrem Gesicht.
    Seht! Leo schwankte vor und zurück, als ob die Steine unter ihm ein dümpelndes Boot wären; er streckte die Arme nach ihr aus – und stürzte zu Boden und lag still.
    Oh! Wie sie schrie! Ihr Schrei muß die Leichen der letzten Schlacht aus ihrem Schlaf gerissen haben, muß bis zu den Sternen emporgedrungen sein. Nur ein einziger Schrei – dann Stille.
     
    Ich sprang auf ihn zu. Zerstört von Ayeshas Kuß, erschlagen von dem Feuer ihrer Liebe, lag Leo tot – auf der Brust Atenes!

24
     
    Der Fortgang Ayeshas
     
     
    Ayesha sprach, und die Worte klangen schrecklich in ihrer hoffnungslosen Ergebenheit in das Schicksal, gegen das sich zu wehren sie nicht mehr die Kraft hatte.
    »Es scheint, als ob mein Herr mich für eine Weile verlassen hätte«, sagte sie tonlos. »Ich muß mich beeilen, ihm zu folgen.«
    Was danach geschah, kann ich nicht genau sagen. Ich hatte den Mann verloren, der alles für mich gewesen war: Freund und Kind in einem, und ich war so niedergeschmettert, wie nie zuvor in meinem Leben. Es kam mir so sinnlos vor, daß ich, alt und verbraucht, noch leben sollte, während er, dessen Glück und Größe kein anderer Mann so wie ich kennengelernt hatte, in der Blüte seiner Jahre aus seinem Leben gerissen wurde.
    Ich glaube – aber da kann ich mich irren –, daß Ayesha und Oros versuchten, ihn wieder ins Leben zurückzurufen, doch ohne Erfolg, denn hier versagten selbst ihre Kräfte. Ich bin sogar überzeugt, daß er, obwohl ihn der Rest seiner Lebenskraft noch auf den Beinen hielt, bereits bei ihrem Kuß gestorben war, denn als ich ihn ansah, bevor er zu Boden stürzte, war sein Gesicht das eines Toten.
    Ja, ich glaube, daß ihre letzten Worte, und auch ihr Lied, ohne daß sie es wußte, bereits an seinen Geist gerichtet waren, denn in ihrem glühenden Kuß war sein Fleisch gestorben.
     
    Als ich mich endlich ein wenig von dem Schock erholt hatte, hörte ich Ayesha mit kühler, klarer Stimme sagen – ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, da sie wieder einen Schleier umgelegt hatte –, daß einige Priester kommen sollten, um ›die Leiche dieser fluchbeladenen Frau hinauszutragen und sie so zu begraben, wie es ihrem Rang zukäme‹. Mir fiel dabei erinnere ich mich, die Geschichte von Jehu und Jezebell ein.
    Leo, dessen Gesicht seltsam ruhig und glücklich aussah, lag jetzt auf einer Couch, die Arme über seiner Brust verschränkt. Als die Priester gekommen und wieder gegangen waren, schien Ayesha, die tief in Gedanken versunken neben Leos Leiche gesessen hatte, zu erwachen. Sie erhob sich und sagte: »Ich brauche einen Boten, für eine sehr ungewöhnliche und schwierige Reise, da er den Ort aufsuchen soll, an dem die Schatten wohnen.« Sie wandte sich Oros zu und schien ihn anzublicken.
    Zum ersten Mal sah ich, daß sich der Ausdruck dieses Priesters veränderte, denn das ewige Lächeln, das selbst diese makabre Szene nicht ganz zu löschen vermochte, verschwand aus seinem Gesicht; er wurde fahl und zitterte.
    »Du hast Angst«, sagte Ayesha verächtlich. »Sei beruhigt, Oros, ich werde niemanden schicken, der Angst hat. Holly, willst du gehen, für mich – und für ihn?«
    »Gerne«, antwortete ich. »Ich bin des Lebens müde und könnte mir kein besseres Ende wünschen. Nur laß es kurz und schmerzlos sein.«
    Sie schien eine Weile nachzudenken, dann sagte sie: »Nein, deine Zeit ist noch nicht gekommen. Du hast noch einiges zu tun. Halte aus, mein lieber Holly, es ist nicht für lange.«
    Dann sah sie den alten Schamanen an, der wie zu Stein geworden war und die ganze Zeit über reglos wie eine Statue gestanden hatte.
    »Wach auf!« rief sie.
    Im gleichen Augenblick schien sich die Starre seiner Glieder zu lösen, seine Brust hob sich, und er war, wie er immer gewesen war: uralt, runzlig und böse.
    »Du siehst, Simbri«, sagte sie und winkte mit der Hand.
    »Ich sehe. Es ist alles so eingetreten, wie Atene und ich es vorausgesagt haben, nicht wahr? ›Bevor viel Zeit vergeht, wird der Leichnam eines neugekrönten Königs von Kaloon‹ – er deutete auf die kleine Krone, mit der Ayesha Leos Haupt berührt hatte – ›auf dem Felsenrand über der Feuergrube liegen‹ – So habe ich es vorausgesagt, und so ist es gekommen.«
    Ein böses Lächeln glitzerte in seinen Augen, und er fuhr fort: »Hättest du mich
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