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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück
Autoren: Henry Rider Haggard
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fort, »die Würfel sind gefallen, wenngleich die Zahlen deinen Augen noch verborgen sind. Ich habe alle Zweifel und Ängste abgeschüttelt, und was auch kommen mag, Leben oder Tod, ich will es in Tapferkeit ertragen.
    Sag, wie sollen wir getraut werden? Ich weiß. Holly soll unsere Hände zusammentun. Wer sonst? Er, der schon immer unser Führer war, soll mich dir geben, und dich mir. Diese flammende Stadt sei unser Altar, ihre Lebenden und ihre Toten unsere Zeugen auf Erden und im Himmel. Anstelle von Riten und Zeremonien werde ich zum ersten Mal meine Lippen auf die deinen drücken, und wenn das getan ist, will ich dir ein Hochzeitslied singen, wie es kein menschlicher Dichter je geschrieben und keine menschlichen Liebenden je gehört haben.
    Komm, mein lieber Holly! Tu deine Pflicht und gib diese Jungfrau jenem Mann!«
     
    Wie im Traum gehorchte ich ihr und legte Ayeshas ausgestreckte Hand in die Leos. Als ich sie so hielt – ich sagte die Wahrheit – war es mir, als ob ein Feuer von ihr auf ihn überzuspringen schien, das mich mit seinen Wellen der Hitze und überirdischer Wonnen erzittern ließ. Und mit dem Feuer kamen unbeschreibliche Visionen, und die Klänge einer machtvollen Musik, und das Gefühl, als ob mein Gehirn, bis zum Überfließen mit Leben erfüllt, auseinanderzubersten drohte.
    Ich legte ihre Hände ineinander, ich weiß nicht, wie; ich segnete sie, ich weiß nicht, mit welchen Worten. Dann wich ich zurück, preßte meinen Rücken gegen die Wand und blickte sie an.
    Dies ist, was ich sah:
    Mit einer Hingabe und Leidenschaft, die so gewaltig und intensiv war, daß sie als mehr denn menschlich erschien, mit einem gemurmelten »mein Mann«, schlang Ayesha die Arme um den Hals ihres Geliebten, zog seinen Kopf zu sich herab, so daß seine blonden Locken sich mit ihrem blauschwarzen Haar vereinigten, und küßte ihn auf die Lippen.
    So standen sie eine Weile, eng aneinandergeschmiegt, und der sanfte Glanz des Diadems auf ihrer Stirn breitete sich auch auf der seinen aus, und durch den dünnen Stoff ihrer Robe sah ich, daß ihr ganzer Körper zu glühen schien.
    Mit einem kleinen, glücklichen Lachen gab sie ihn frei und sagte: »So, Leo Vincey, nun habe ich mich dir ein zweites Mal gegeben, damals in den düsteren Höhlen von Kôr, und jetzt hier, im Palast von Kaloon. Wisse dies: komme, was da wolle, niemals mehr werden wir voneinander getrennt werden, die dazu bestimmt sind, eins zu sein. Solange du lebst, werde ich an deiner Seite sein, und wenn du stirbst – falls du sterben mußt –, werde ich dir durch Welten und Firmamente folgen, und alle Türen des Himmels und der Hölle werden meiner Liebe nicht standhalten können. Wohin du gehst, dort will auch ich hingehen. Wenn du schläfst, werde ich bei dir schlafen, und meine Stimme wird es sein, die du in all deinen Träumen, im Leben und im Tod, hören wirst; meine Stimme wird es sein, die dich heißt, in der letzten Stunde der ewigen Morgendämmerung zu erwachen, wenn diese Nacht des Elends ihre Schwingen für immer zusammengefaltet haben wird.
    Höre nun zu, wenn ich für dich singe, und verstehe das Lied richtig, denn in seiner Melodie sollst du endlich die Wahrheit finden, die ich dir unvermählt nicht zu sagen getraute. Du sollst wissen, wer und was ich bin, und wer und was du bist, und welches die hohen Ziele unserer Liebe sind, aus welcher Quelle der Haß dieser toten Frau erwachsen ist, und alles andere, das ich vor dir in verschleiernden, verwirrenden Worten und Visionen verborgen gehalten habe.
    Höre also, mein Geliebter und mein Herr, das Lied des Schicksals!«
    Sie schwieg und richtete ihre Augen gen Himmel, als ob sie von dort Inspiration erwarte, und noch nie, noch nie – selbst nicht in den Feuern von Kôr – hatte sie so göttlich ausgesehen wie in diesem Augenblick, da sie die reichen Früchte ihrer Liebe erntete.
    Mein Blick glitt von ihr zu Leo, der bleich und reglos vor ihr stand, so reglos wie die totengleiche Gestalt des alten Schamanen, so reglos wie die Khania, die mit blicklosen Augen zur Decke starrte. Was mochte in ihm vorgehen, fragte ich mich, daß er so unbewegt blieb, während sie ihn in ihrer ganzen, überwältigenden Macht und Schönheit anbetete?
    Hört! Sie begann zu singen, und ihre Stimme klang lieblicher und voller als eine Glocke, und die süßen Töne ihres Liedes schienen mein Blut zum Gerinnen zu bringen und mir den Atem zu nehmen.
     
    Die Welt war noch nicht,
    noch nicht, und im Schoß der
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