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Axis

Axis

Titel: Axis
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Erde vor der geschwollenen Sonne schützte, der kleinste verbrannte in der Atmosphäre. Sie beobachtete, wie sie über den Himmel schossen, ihre Geschwindigkeit, ihr Strahlen verschlugen ihr den Atem.
    So wie jetzt auch. Das Feuerwerk Gottes. »Wow«, sagte sie etwas lahm.
    Turk zog seinen Stuhl auf ihre Seite des Tisches, sodass sie beide in Richtung Meer saßen. Er machte keinerlei Annäherungsversuche, und sie rechnete auch nicht damit. Über hohe Bergpässe zu fliegen, war im Vergleich zu diesem Manöver wohl ein Kinderspiel. Auch sie achtete darauf, ihm nicht zu nahe zu kommen, und doch spürte sie die Wärme seines wenige Zentimeter entfernten Körpers. Sie trank ihren Kaffee, ohne ihn zu schmecken. Wieder gab es einen Sternenschauer. »Ob wohl irgendetwas davon bis auf den Erdboden gelangt?«, fragte sie.
    »Es ist nur Staub«, erwiderte Turk. »Jedenfalls sagen das die Astronomen. Überreste eines Kometen.«
    »Und was ist damit?« Lise deutete nach Osten, dorthin, wo der dunkle Himmel auf das noch dunklere Meer traf. Es sah so aus, als würde dort tatsächlich etwas herabfallen – keine Meteore, sondern helle Punkte, die in der Luft hingen wie Leuchtkugeln. Ihr auf dem Wasser sich spiegelndes Licht tauchte den Ozean in ein schlieriges Orange. »Gehört das dazu?«
    Turk stand auf. Ebenso einige der anderen Gäste auf der Terrasse. Verwirrte Stille löste die fröhliche Unterhaltung ab. Hier und da begannen Telefone zu summen.
    »Nein«, sagte Turk. »Das gehört nicht dazu.«

 
3
     
     
    In den zehn Jahren, die er in der Neuen Welt lebte, hatte Turk etwas Derartiges noch nicht gesehen.
    Aber in gewisser Weise war das auch wieder typisch. Die Neue Welt hatte die Angewohnheit, einen ständig daran zu erinnern, dass sie nicht die Erde war. Dass die Dinge hier ein bisschen anders liefen. Wir sind hier nicht in Kansas, wie die Amerikaner sagten, und vermutlich wurde das Gleiche auch in ein paar Dutzend anderen Sprachen gesagt: Wir sind hier nicht in der großen Steppe. Wir sind hier nicht in Kandahar. Wir sind hier nicht in Mombasa.
    »Denkst du, dass es gefährlich ist?«, fragte Lise.
    Einige der Gäste waren offenbar dieser Ansicht. Sie beglichen ihre Rechnungen mit kaum verhohlener Hast und eilten zu ihren Autos. Innerhalb von Minuten leerte sich das Restaurant bis auf eine Handvoll Unentwegte.
    Turk sah Lisa an. »Möchtest du auch gehen?«
    »Nicht, wenn du nicht gehst.«
    »Ich glaube nicht, dass wir woanders sicherer wären als hier. Und hier ist die Aussicht entschieden besser.«
    Das Phänomen hing noch immer über dem Meer, schien allerdings stetig näher zu kommen. Es sah aus wie leuchtender Regen, eine wogende graue, lichtdurchschossene Wolke – wie ein Gewitter, das man aus sehr großer Entfernung sieht, nur dass das Leuchten nicht blitzartig kam, sondern irgendwie unterhalb der sich bauschenden Dunkelheit zu hängen schien, sie von unten glänzen ließ. Turk hatte oft genug Stürme vom Meer heranziehen sehen, und seiner Schätzung nach näherte sich dieser etwa mit Windgeschwindigkeit. Die von ihm ausgehende Helligkeit schien aus einzelnen leuchtenden oder brennenden Partikeln zusammengesetzt, so dicht wie Schnee vielleicht, aber da mochte er sich täuschen – in diesem Teil von Äquatoria schneite es nicht, und der letzte Schnee, den er, vor vielen Jahren, gesehen hatte, war an der Küste von Maine gefallen.
    Seine erste Sorge war Feuer. Port Magellan war ein Pulverfass, mit zahllosen unvorschriftsmäßig gebauten, eng nebeneinander stehenden Behausungen, im Hafen gab es jede Menge Lagerhallen und Transportanlagen, und in der Bucht drängten sich die Öl- und Flüssiggastanker, die Treibstoff für die unersättliche Bevölkerung der Erde geladen hatten. Was da von Osten heranwehte, sah aus wie eine dichte Wolke von angezündeten Streichhölzern – er mochte gar nicht daran denken, was das für Folgen haben konnte.
    Er sagte Lise nichts davon. Er vermutete, dass sie die weitgehend gleichen Schlüsse gezogen hatte, aber sie drängte nicht darauf, die Flucht zu ergreifen – bei der Geschwindigkeit, mit dem diese Sache heranrauschte, wäre dies ohnehin ein sinnloses Unterfangen gewesen. Allerdings wurde sie deutlich nervöser, als sich das Phänomen der Landspitze am südlichen Ende der Bucht näherte.
    »Es ist nicht bis ganz nach unten hell«, sagte sie.
    Die Angestellten des Harley’s begannen die Terrassentische hereinzuholen – als würde damit irgendein Schutz gewährleistet – und
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