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AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Autoren: Ina Norman
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einem Gang und am Ende führte eine Treppe in die Tiefe. Es war sehr dunkel. Ich hatte eine Kerze bei mir – es gibt viele dunkle Gänge in der Burg – und entzündete sie am Kamin. Dann lief ich zurück – ich weiß noch, dass ich fürchtete, ich hätte mich geirrt. Aber da war die Tür und ich ging hindurch. Ich folgte dem Gang und der Treppe, immer weiter in die Tiefe. Am Anfang war der Gang gemauert, aber zuletzt waren Wände und Boden nur noch Erde und Felsen, in vielen Schichten. Meine Kerze brannte herunter, ich merkte es nicht. In den Wänden begannen Adern zu glühen, so konnte ich genug sehen und es war warm. Ich lief und lief, viele Stunden lang. Ich hatte keinen Hunger oder Durst, ich dachte nicht daran, dass ich irgendwann umkehren musste, ich dachte an gar nichts, ich wollte nur weiter, als ob ich einem Ruf folgte. Die Wände glühten immer stärker, ich konnte Gestalten dahinter sehen, wie durch Nebel. Es leuchtete von unten herauf, aber es war nicht heiß oder vielleicht empfand ich es nicht so. Als ich endlich am Ende der Treppe anlangte, stand ich vor einer Mauer aus Lehm, die einen starken, erdigen Geruch verströmte. Jetzt erst merkte ich, dass ich ihn schon eine ganze Weile gerochen hatte. Die Mauer zog mich an, ich ging hin und legte meine Hand darauf. Sie bebte und plötzlich lief ein Riss mitten durch sie hindurch, verbreiterte sich, bis eine große Öffnung entstanden war. Zuerst war sie dunkel, aber als der Spalt wuchs, sah ich, dass eine Gestalt dahinter stand. Das Licht der Wände fiel auf sie und sie sah aus wie eine Figur aus Lehm, eine alte Frau, aber größer als jeder lebende Mensch. Sie bewegte sich ...
    Ich hatte bisher keine Angst gehabt, aber nun wurde mir bange und ich trat von der Mauer zurück. Der erdige Geruch wurde stärker. Die Gestalt folgte mir mit ausgestreckten Händen, als bettelte sie mich an. Sie trug keinen Fetzen am Leib. Graue Zotteln hingen um ihr Gesicht und verdeckten ihre Augen. Dann sprach sie, stammelnd und rau, Worte, die ich nicht verstand und plötzlich floss Wasser aus ihren Augen, nicht wie Tränen, sondern wie ein Sturzbach. Es lief über ihre Wangen und ihren Leib, sie winkte mir und ich ... ich konnte nicht anders und ging zu ihr. Sie ergriff meine Hände und zog mich an sich. Der erdige Geruch, der von ihr ausging, hüllte mich ein und mir war, als versinke ich in tiefer, weicher Erde. Es klingt erschreckend, aber ich wehrte mich nicht – ich musste an die Knollen denken, die ich im Frühjahr in mein Beet im Küchengarten gesteckt hatte. Es hatte so gemütlich ausgesehen, wie sie sich in die braune Erde schmiegten – das Wasser aus ihren Augen ergoss sich über mich und ich verlor die Besinnung.
    Als ich zu mir kam, lag ich auf einem weichen Bett und die Frau beugte sich über mich. Doch war sie völlig verändert, mehr wie ein richtiger Mensch schien sie jetzt und sie lächelte. Sie trug ein braunes Gewand, durchzogen von goldenen und silbernen Fäden, die sich ständig bewegten. Auch in ihrem grauen Haar flimmerten goldene Lichter. Als sie sprach, war ihre Stimme tief und warm und ich konnte jedes Wort verstehen.
    ,Oh mein liebes Kind, so habt ihr mich, eure Mutter, doch nicht vergessen. Wie lange habe ich gewartet! Sei willkommen und verzeih mir, dass ich dich erschreckt habe, ich war so einsam. Nie wollen wir streiten und uns trennen.‘ ,Wer seid Ihr denn?‘, fragte ich ganz erschrocken. Sie redete, als müsste ich sie kennen. Ihr Lächeln verschwand und sie sah mich traurig an. ,Du weißt nicht, wer ich bin? Du bist nicht zu mir gekommen, um mich zu verehren und mir zu dienen? Niemand hat dich geschickt?‘ ,Nein, ich habe nur die Tür in der großen Halle entdeckt und die Treppe dahinter und ich bin gekommen, weil ich wissen wollte, wohin sie führt.' Nun musterte sie mich mit großem Erstaunen. ,Du hattest keine Angst? Du stiegest freiwillig in die Tiefe?‘ ,Ja, ich habe keine Angst.‘
    Es stimmte, jetzt fürchtete ich mich überhaupt nicht mehr, ich war nur neugierig. Sie stand auf und ging ein paar Schritte fort. ,So gedenkt ihr meiner doch nicht mehr dort oben und ich habe umsonst gewartet, viele Jahrtausende lang. Ich werde keine Priesterinnen und Dienerinnen mehr haben ...‘ Sie kam zurück und betrachtete mich lange. Ihre Augen waren das seltsamste, was ich je gesehen hatte, grün und braun und goldgefleckt, wie Sonnenlicht auf einem Waldtümpel und sie schienen mir bodenlos. Ich hätte immerzu hineinsehen können und je
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