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Auszeit - Ein Schwarz Weiss Tot Krimi

Titel: Auszeit - Ein Schwarz Weiss Tot Krimi
Autoren: Deon Meyer
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winzigen Schraubendreher in der anderen Hand.
    »Kann ich helfen, Uncle?«, fragte er mit sanfter, freundlicher Stimme.

    Um zwölf saß October in seinem Cressida und schickte Nita eine SMS:
Ruf mich an, es ist dringend!
Kaum eine Minute später klingelte sein Handy. »Was ist denn?«, fragte sie aufgeregt.
    »Wir können nicht bis Viertel vor vier warten, du musst sofort kommen!«
    Um Viertel nach zwei klopfte sie an seine Scheibe. October entriegelte die Tür für sie. Nachdem er ihr alles erzählt hatte, sagte sie: »Gib mir die Handschellen.«
    Er holte sie hervor und zeigte ihr, wie sie funktionierten. »Seine Werkbank ist am Boden festgeschraubt. Du musst die eine Seite um seinen Knöchel und die andere um ein Tischbein schließen. Alles andere funktioniert nicht.«
    »Cool.«
    »Neben seinem Geschäft ist ein chinesischer Imbiss, da warte ich. Komm, wir müssen unsere Uhren gleichstellen, damit ich rechtzeitig bei dir sein und dir helfen kann.«
    »Jetzt mach dir doch nicht solche Sorgen.«
    »Nita, er hat zwei Menschen getötet, jedenfalls soweit wir wissen!«
    »Aber er glaubt, er sei der Einzige, der die Zeit anhalten kann …«

    Um exakt Viertel vor drei riss er die Tür des Uhrenladens auf und sah Nita mit blutigem Hals auf dem Boden liegen.

12.
    Superintendent Johnnie October wartete auf die Sekunde bis Viertel vor drei, stürzte aus dem China-Imbiss, rannte zur Tür des Uhrengeschäfts nebenan und riss diese auf.
    Vor ihm, auf dem abgewetzten Teppich neben den Standuhren, lag Nita auf dem Rücken, eine Hand an die Kehle gedrückt. Blut sickerte zwischen ihren Fingern hindurch. Verzweifelt rief er ihren Namen, stürmte in den Laden hinein, kniete sich neben sie und erlebte eine Überraschung. Ihr Gesicht war wutverzerrt, und sie versuchte, sich aufzurichten.
    »Dieser Mistkerl!«, fauchte sie.
    Erst dann hörte October die Geräusche im Hintergrund und hob den Blick. James Daniel Fortuin stand hinter seiner Werkbank, einen kleinen Schraubendreher in der Hand. Aus seinem Blick sprachen Hass und Furcht zugleich.
    Doch sein linker Fuß war am Stahlbein der Werkbank festgekettet.
    Nita versuchte, sich an Octobers Hand hochzuziehen.
    »Bleib liegen!«, mahnte er sie.
    »Ist doch nur eine Schramme«, erwiderte sie und stand auf. »Er hat mich bemerkt, dieser bescheuerte …«
    »Halt still!«, entgegnete October. »Du bist ernsthaft verletzt.« Er zog ein Taschentuch aus der Jackentasche und schob ihre Finger von der Wunde weg. Es war eine Stichverletzung, aus der ein blutiges Rinnsal sickerte. Erleichtert stellte October fest, dass der Angreifer die Halsschlagader verfehlt hatte.
    Jimmy Fortuin fluchte und riss an seiner Fußfessel. Drohend stieß er den Schraubendreher in Octobers Richtung.
    »Jimmy!«, sagte der Ermittler beruhigend. Keine Reaktion. »Jimmy!«
    Die Augen des jungen Mannes waren weit aufgerissen, seine Miene verzerrt. October ging auf ihn zu und streckte beschwichtigend die Hand nach ihm aus.
    »Jimmy, wir wissen über die Haywards Bescheid. Wir wissen, was sie getan haben …«
    Keine Reaktion.
    Nita trat October in den Weg. »Pass mal auf, Jimmy!«, sagte sie. Dann verschwand sie und rief kurz darauf von der Tür her: »Siehst du, du bist nicht der Einzige!«
    Jimmy stieß einen Laut aus, der October tief zu Herzen ging, so schmerzlich klang er. Der junge Mann gab seinen Widerstand auf, schlug die Hände vor das Gesicht und brach mit zuckenden Schultern in Tränen aus.

    Mit zwölf Jahren hatte er zum ersten Mal die Zeit angehalten.
    In der Küche ihres Hauses im Township Atlantis. In einem Chaos aus Flammen und Rauch lag seine Mutter bewusstlos auf dem Boden. Sie war Epileptikerin und musste mit einer Kerze in der Hand einen Anfall erlitten haben. In diesem Augenblick war er sich der Veränderung gar nicht bewusst, weder der betäubenden Stille noch der fehlenden Hitze noch der reglos in der Luft schwebenden Rußteilchen. Er hatte nur ein Ziel vor Augen: seine Mutter nach draußen zu schleifen, in Sicherheit.
    Anschließend konnte er sich nicht erklären, was geschehen war. Erst als es ein drittes Mal passierte, elf Monate später, begriff er, dass er ein unbegreifliches Talent besaß.
Die Stoppuhr
. So nannte er es, dieses merkwürdige Phänomen, das er herbeiführen konnte. Systematisch lernte er, seine Fähigkeit zu beherrschen, und machte sie sich immer häufiger zunutze, um für seine Mutter zu sorgen, denn sein Vater war damals schon seit drei Jahren verschwunden. Er besorgte
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