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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften
Autoren: Richard Wagner
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Bücher der Odyssee übersetzt. Einmal lernte ich auch Englisch, und zwar bloß um Shakespeare ganz genau kennen zu lernen: ich übersetzte Romeos Monolog metrisch. Das Englische ließ ich bald wieder liegen, Shakespeare aber blieb mein Vorbild; ich entwarf ein großes Trauerspiel, welches ungefähr aus Hamlet und Lear zusammengesetzt war; der Plan war äußerst großartig; zweiundvierzig Menschen starben im Verlaufe des Stückes, und ich sah mich bei der Ausführung genöthigt, die Meisten als Geister wiederkommen zu lassen, weil mir sonst in den letzten Akten die Personen ausgegangen wären. Dieses Stück beschäftigte mich zwei Jahre lang. Ich verließ darüber Dresden und die Kreuzschule, und kam nach Leipzig. Auf der dortigen Nikolaischule setzte man mich nach Tertia, nachdem ich auf der Dresdner Kreuzschule schon in Sekunda gesessen; dieser Umstand erbitterte mich so sehr, daß ich von da an alle Liebe zu den philologischen Studien fahren ließ. Ich ward faul und lüderlich, bloß mein großes Trauerspiel lag mir noch am Herzen. Während ich dieses vollendete, lernte ich in den Leipziger Gewandhauskonzerten zuerst Beethoven'sche Musik kennen; ihr Eindruck auf mich war allgewaltig. Auch mit Mozart befreundete ich mich, zumal durch sein Requiem. Beethovens Musik zu »Egmont« begeisterte mich so, daß ich um Alles in der Welt mein fertig gewordenes Trauerspiel nicht anders vom Stapel laufen lassen wollte, als mit einer ähnlichen Musik versehen. Ich traute mir ohne alles Bedenken zu, diese so nöthige Musik selbst schreiben zu können, hielt es aber doch für gut, mich zuvor über einige Hauptregeln des Generalbasses aufzuklären. Um dies im Fluge zu thun, lieh ich mir auf acht Tage Logier's Methode des Generalbasses und studirte mit Eifer darin. Das Studium trug aber nicht so schnelle Früchte, als ich glaubte; die Schwierigkeiten desselben reizten und fesselten mich; ich beschloß Musiker zu werden.
Anmerkung des Herausgebers: 2) Man beachte, wie vollkommen deutlich schon in dieser Jugendentwicklung das Kunstwerk des reifen Wagner sich ankündigt: Die Verneinung der Oper wegen der darin herrschenden unnatürlichen und kunstwidrigen Stellung der Dichtung zur Musik : »Don Juan war mir zuwider, weil da italienischer Text darunter stand : er kam mir so läppisch vor.« Die Dichtung, das Drama als der erste Quell und einzige Zweck seiner Kunst : »Ich wollte Dichter werden; ich entwarf Trauerspiele... Shakespeare war mein Vorbild .« Und schließlich die Musik , die als allgewaltigstes Ausdrucksmittel jenen Zweck allein verwirklichen kann: »...ich lernte Beethoven'sche Musik kennen, ihr Eindruck auf mich war allgewaltig. Ich wollte mein Trauerspiel nicht anders vom Stapel laufen lassen, als mit einer ähnlichen Musik versehen . ... ich beschloß Musiker zu werden.« (Vergl. auch S. 41 dieses Bändchens.) – Und dieser selbe Wagner sollte die seinen Werken eigentümliche Stellung der Dichtung zur Musik, sein »Gesammtkunstwerk« aus »Verranntheit in ästhetische Theoretisirerei« erfunden haben! Er hatte sie aber schon als zehn- bis vierzehnjähriger Knabe erlebt ! Wahrlich eine merkwürdige »Theorie«, die zwanzig Jahre vor ihrer Aufzeichnung einem Knaben »die Geburten seiner Phantasie so lebendig rings aus dem Boden auftauchen läßt, daß ihm selbst davor graut« (Gl.I, 105 nach Erinnerungen von Wagners Schwager Avenarius) und ihm den prophetischen Traum eingibt, dessen er sich noch im 51. Lebensjahre erinnert: »Ich träumte Shakespeare lebte und ich sähe ihn und spräche mit ihm, wirklich, leibhaftig. Der Eindruck ist mir unvergeßlich, und ging in die Sehnsucht über – Beethoven zu sehen, der doch auch schon tot war« (Gl. III, 1, S. 9).
    – Während dem war mein großes Trauerspiel von meiner Familie entdeckt worden: sie gerieth in große Betrübniß, weil am Tage lag, daß ich darüber meine Schulstudien auf das Gründlichste vernachlässigt hatte, und ich ward somit zu fleißiger Fortsetzung derselben streng angehalten. Das heimliche Erkenntniß meines Berufes zur Musik verschwieg ich unter solchen Umständen, komponirte nichtsdestoweniger aber in aller Stille eine Sonate, ein Quartett und eine Arie. Als ich mich in meinem musikalischen Privatstudium hinlänglich herangereift fühlte, trat ich endlich mit der Entdeckung desselben hervor. Natürlich hatte ich nun harte Kämpfe zu bestehen, da die Meinigen auch meine Neigung zur Musik nur für eine flüchtige Leidenschaft halten mußten, um so mehr,
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