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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen
Autoren: Katrin Koppold
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betraten, fiel mir ein, dass ich mich noch gar nicht vorgestellt hatte.
    „Ich heiße übrigens Helga. Helga Baum.“
    „Ernsthaft!“ Er sah mich irritiert an.
    Ich zog eine Grimasse. „Leider ja.“
    „Sie Ärmste.“
    „Sagen Sie das meinen Eltern. Und wie heißen Sie?“
    „Nils Schöneberger.“
    „Schöneberger? Wie die beiden Schauspieler?“
    Er nickte. „Wie die beiden Schauspieler.“

    „Weißt du eigentlich, mit wem du zusammen nach Italien fahren willst?“, flüsterte Fee mir zu, als wir zusammen im Terminal 2 standen und darauf warteten, dass Nils seinen Döner endlich aufgegessen hatte.
    „Nein. Wieso? Müsste ich ihn kennen?“
    Meine Schwester schüttelte verständnislos den Kopf. „Das ist Nils Schöneberger.“
    „Das hat er erwähnt.“
    „Er ist der Sohn von Katharina und Bernd Schöneberger.“
    „Von den beiden Schauspielern?“ Ich sah sie überrascht an. „Und ich habe …“
    „Ja, genau. Und Nils ist ebenfalls Schauspieler. Ich kann es nicht glauben, dass er dir überhaupt kein Begriff ist.
    Ich zuckte gelangweilt mit den Schultern, denn ich wusste genau, was jetzt kommen würde. Und tatsächlich …
    „Warum kaufst du dir nicht endlich wieder einen Fernseher? Du weißt überhaupt nicht, was in der Welt vor sich geht.“
    „Ha ha.“ Ich verzog höhnisch mein Gesicht. „Wer wusste nicht, dass ein Vulkan den kompletten europäischen Luftverkehr lahmgelegt hat?“
    Fee verdrehte genervt die Augen und auch ich schwieg beleidigt.
    Warum hatte jeder aus meiner Familie nur ein solch großes Problem damit, dass ich keinen Fernseher besaß? Ich boykottierte ihn schließlich nicht aus Überzeugung. Meiner war nur vor zwei Jahren zusammen mit Olli aus meinem Leben verschwunden. Am Ende unserer katastrophalen Beziehung hatte ich dem nämlich bedauerlicherweise so ziemlich alles überlassen, was ich besaß, nur um ihn so schnell wie möglich loszuwerden. Wahrscheinlich hätte ich ihm sogar meine Mutter gegeben, wenn er sie unbedingt gewollt hätte. Da ich mir neben einer neuen Wohnung auch eine Unmenge an neuen Möbeln besorgen musste, stand ein Fernseher auf meiner Prioritätenliste nicht an oberster Stelle. Und nach einigen Monaten Fernsehabstinenz stellte ich überrascht fest, dass ich ihn auch nicht vermisste. Ich hatte Bücher, das Internet, ein Radio und wenn ich unbedingt einmal einen Film sehen wollte, ging ich ins Kino oder schob eine DVD in den Laptop. Und im Ernst … Nils Schöneberger … Musste man den wirklich kennen?
    Seine Eltern waren selbst mir ein Begriff. Katharina Schöneberger reihte sich nämlich nahtlos neben berühmten Schauspielerinnen wie Iris Berben und Veronica Ferres ein und hatte in mehreren erfolgreichen Fernsehmehrteilern sowie Literaturverfilmungen mitgespielt. Ihren Mann hatte ich vor einigen Jahren häufiger im Tatort gesehen.
    Ich schaute Nils interessiert an. Vorhin hatte ich ihn wegen der ganzen Aufregung überhaupt nicht richtig zur Kenntnis genommen. Leider konnte ich momentan auch nicht viel erkennen, denn sein Gesicht steckte zur Hälfte in einer Teigtasche zwischen Salat und Gyrosfleisch fest.
    Was ich sah, war dunkles, ein wenig zerzaustes Haar, eine gerade, nicht übermäßig große Nase und dunkle Bartschatten auf den Wangen. Alles in allem recht hübsch! Seine Kleidung hatte jedoch bestimmt schon bessere Tage gesehen. Zu einer speckigen Lederjacke trug er nämlich eine abgewetzte Jeans und nicht besonders saubere Turnschuhe. Vielleicht war sein Aufzug aber auch nur eine Art Tarnung, um nicht direkt als Prominenter erkannt zu werden.
    Irgendwie war ich enttäuscht. Ich hatte mir einen echten Promi spektakulärer vorgestellt. Nils Schöneberger sah so schmuddelig aus und besonders groß war er auch nicht.
    „Ist er nicht heiß?“, flüsterte Fee neben mir, die meine Einschätzung des Schauspielersprosses anscheinend nicht teilte und aus ihrer Motz-Ecke wieder herausgekommen war.
    Ich schwieg.
    „Er ist heiß, oder?“
    „Ja. Wie ein Kühlschrank.“
    „Was für ein lahmer Vergleich!“, entgegnete Fee mitleidig, ohne ihren Blick von dem Schauspielersöhnchen abzuwenden.
    Dieser hatte nun sein Döner endlich verspeist und warf die Alufolie achtlos in Richtung Mülltonne, wo sie am Rand abprallte und auf den Boden fiel. Ich unterdrückte den Impuls, sie aufzuheben und in den Papierkorb zu werfen.

    „Wo ist ihr Gepäck?“ Nils war gerade dabei, seinen Treckingrucksack in den Kofferraum unseres knallroten Smarts zu quetschen.
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