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Ausgezählt

Ausgezählt

Titel: Ausgezählt
Autoren: Horst Eckert
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Schultern. Die Duisburger Fans feuerten ihren Kämpfer an, jetzt auch unterstützt vom Rest des Publikums, das froh war, dass etwas geschah. Bruno stieß Ekinci zurück, tänzelte durch den Ring, verfolgt von vereinzelten Pfiffen und einem bulligen Gegner, der einen Haken nach dem anderen in die Luft schlug. Janssen sah, dass der Türke müde wurde. Warum nutzte Bruno das nicht aus?
    Die letzte Pause. Janssen wollte nach dem Mundschutz greifen, doch der Junge drehte den Kopf weg, nahm ihm den Schwamm ab, schob das Trikot hoch und ließ das Wasser über die roten Flecken auf seinen Rippen laufen.
    Ein schlanker Blonder mit Oberlippenbart schlich durch die Zuschauerreihen und setzte sich auf einen der freien Plätze. Offenbar der Kollege aus Brunos neuer Dienststelle. Sein neuer Partner.
    Janssen sagte: »Wenn du Wert darauf legst, ein schönes Gesicht zu behalten, solltest du erst gar nicht in den Ring steigen. Lass uns das Theater abbrechen. Alle sind wegen der Boxkämpfe hergekommen. Nur du anscheinend nicht.«
    Bruno sah ihn finster an, als sei es die Schuld des Trainers, dass seine Karen nicht erschienen war.
    Janssen versuchte es mit einer Standpauke: »Du hast einen Job, der dir Spaß macht. Du hast eine neue Freundin. Wunderbar. Sie redet dir ein, dass Boxkampf nur dummes Geklopfe sei. Okay, viele denken so. Aber ich hab dich nicht all die Jahre ausgebildet, damit du mich hier blamierst. Es ist nur die Scheißniederrheinmeisterschaft, aber da drin tut’s weh.« Er hieb sich gegen die eigene Brust. »Zweihundert Leute in dieser Halle halten dich in diesem Moment für einen Waschlappen. Wenn du schon nicht für deinen alten Trainer kämpfen willst, dann tu es für dich!«
    Janssen und der Co-Trainer zogen sich auf ihre Plätze zurück. Sie beobachteten, wie Bruno seinem Kollegen zuwinkte. Der Neuankömmling hielt eine Papiertüte hoch, die er auf dem Sitz neben sich abstellte.
    Wilfried raunte Janssen zu: »Die Punkte, die Bruno in drei Runden verloren hat, kann er jetzt nicht mehr wettmachen.«
    Der Junge wich aus, Ekinci marschierte und landete Körpertreffer. Die Leute johlten. Sie wollten den Tänzer am Boden sehen. Bruno floh in die andere Ecke. Als er zu dem leeren Stuhl hinübersah, kassierte er eine fürchterliche Rechte des Türken, die seinen Kopf in den Nacken knallen ließ. Der Ringrichter umkreiste ihn mit hektischen Schritten, doch Bruno schwankte nur einen Moment.
    Ekinci holte wieder aus und fing einen Konter mit Brunos Führungshand am Kopf, eine zweite Gerade mit rechts, wehrte mit Mühe den dritten Schlag ab, taumelte, ging in den Clinch. Der Ringrichter trennte. Bruno wich zurück und das Spiel wiederholte sich: Ekinci marschierte, Bruno tanzte zur Seite, schlug zwei Linke, eine Rechte, hatte den Gegner in den Seilen, der überrascht wirkte, als hätte er mit Gegenwehr nicht mehr gerechnet.
    Jetzt, dachte Janssen. Deck ihn mit Schlägen ein. Dominanz.
    Doch wieder wich der Junge zurück. Ekinci verfolgte ihn, holte aus und schlug einen langen Haken in die Luft. Bruno konterte endlich und traf. Brust, Magen, Kinn. Ein kurzes Schlaggewitter. Ekincis nächster Haken ging weit daneben, der Schwung riss den Türken an Bruno vorbei, fast fiel er in die Seile. Bruno über ihm. Zwei linke Haken, ein rechter. Schnell und hart. Ekinci fuchtelte unkoordiniert mit den Fäusten. Brunos Rechte traf ihn mitten ins Gesicht, ein verheerender linker Haken schleuderte den Kopf des Duisburgers zur Seite. Knochen knirschten, Blut sickerte aus einem Riss unter dem Auge.
    Das ist der Bruno, den ich kenne, dachte Janssen – umkreisen, lauern, vernichtend schlagen.
    Ekinci taumelte auf den Gerresheimer zu, begann zu fallen, mit den Fäusten vergeblich Halt suchend, an Bruno vorbei, der noch immer schlagbereit der Bewegung folgte und zusah, wie der Duisburger auf den Boden prallte und liegen blieb.
    Die Zuschauermeute tobte, als sei sie von Beginn an auf Brunos Seite gewesen. Die Saalanlage kam gegen den Jubel kaum an, die Stimme des Sprechers ging unter. Der Mann in Weiß hob Brunos rechten Arm.
    Jeder wollte dem Niederrhein-Champion auf die Schulter klopfen. Der silberne Umhang mit dem Logo des TuS Gerresheim stand seinem Schützling gut, fand Janssen.
    »Du bist in der Form deines Lebens, Bruno. Bielefeld in drei Wochen. Den Landesmeister schaffst du spielend.«
    »Hör auf.«
    »Und danach fahren wir zur deutschen Meisterschaft nach Potsdam.«
    »Vergiss es, Janssen. Es ist vorbei.«
    Der blonde Polizist wühlte
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