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Ausgeträumt

Ausgeträumt

Titel: Ausgeträumt
Autoren: Charles Bukowski
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verschwindest.«
Ich machte einen Schritt zurück.
»Immer mit der Ruhe, Mr. Tohil. Ich will nur ne Auskunft, dann geh ich.«
»Die Auskunft ist Privatsache, und du gehst ohne sie. Weil ich dich jetzt nämlich rausschmeiße!«
»Ich hab ’n Schwarzen Gürtel, Tohil. Das ist ne tödliche Waffe. Zwingen Sie mich nicht, sie einzusetzen.«
Er lachte und machte einen Schritt auf mich zu.
»Keinen Schritt weiter!« schrie ich. Er blieb stehen.
»Tohil, ich muß den Red Sparrow finden, und Deja Fountain hat mit der Lösung des Falls zu tun. Ich muß wissen, wohin sie und ihr Freund verschwunden sind.«
»Sie ham keine Adresse hinterlassen«, sagte er. »Jetzt zieh Leine, eh ich dir ins Gesicht furze.«
Ich zog die 32er und richtete sie auf seinen Bauch.
»Wo ist Deja Fountain?!« schrie ich.
»Leck mich«, sagte er und ging auf mich los.
»Stehnbleiben!« kommandierte ich.
Er war so doof und hörte nicht auf mich. Ich geriet in Panik und zog den Abzugsbügel durch. Er klemmte.
Im nächsten Moment schlossen sich Tohils Hände um meinen Hals. Sie waren groß wie Schinken, und die gewaltigen Wurstfinger waren dumpf und gnadenlos. Ich kriegte keine Luft mehr. Enorme Blitze zuckten hinter meinen Augen. Ich rammte ihm ein ums andere Mal das Knie in den Unterleib, aber es nützte nichts. Er war eine Mißgeburt. Hatte seine Geschlechtsorgan vermutlich in der Achselhöhle. Ich war ihm wehrlos ausgeliefert. Ich roch den Tod in der Luft. Aber mein Leben rauschte nicht wie ein Film vorüber. Ich hörte nur eine Stimme in meinem Hinterkopf, die sagte: »Du brauchst ’n neuen rechten Hinterreifen …« Stupid. Dämlich. Ich war geliefert. Erledigt. Aus und vorbei. Auf einmal spürte ich, wie die Hände losließen. Ich taumelte nach hinten. Saugte Luft in meine Lungen. Aus der Stratosphäre oder sonstwoher.
Ich warf einen Blick auf Tohil. Er sah nicht gut aus. Gar nicht gut. Er schaute mich an, aber ohne mich zu sehen. Packte seinen linken Arm, hielt ihn fest und bekam einen fürchterlich gequälten Gesichtsausdruck. Er rang nach Luft, verdrehte die Augen und sackte zusammen. Ich ging hin, beugte mich runter und fühlte seinen Puls. Nichts. Er war hinüber. Bye-bye.
Ich setzte mich in einen Sessel. Und gegenüber, auf der Couch, saß auf einmal sie. Lady Death. Sah besser aus denn je. Was für eine Braut. Ließ einen nie im Stich. Solider als Gold. Sie lächelte.
»Wie gehts, Belane?«
»Kann nicht klagen, Lady.«
Sie war ganz in schwarz. Schwarz stand ihr gut. Rot auch.
»Du mußt auf dein Gewicht achten, Belane. Du ißt zuviel Fritten, Kartoffelbrei, Nachtisch … und du hast wieder Bier genuckelt.«
»Yeah. Na ja … stimmt.«
Sie lächelte wieder. Kräftige, makellose Zähne. Einem Klempner konnte sie damit glatt den Schraubenschlüssel durchbeißen.
»Tja«, sagte sie, »ich muß wieder los. Hab in der Gegend noch was zu erledigen.«
»Jemand, den ich kenne?«
»Kennst du einen Harry Dobbs?«
»Nee, glaub nicht.«
»Na, falls doch, kannst du ihn ab sofort vergessen.«
Und damit verschwand sie. Urplötzlich. Ich ging zu Tohil und zog ihm die Brieftasche raus. Ein Fünfziger war drin, zwei Zwanziger, ein Fünfer und ein einzelner. Ich verstaute die Scheine in meiner rechten Hosentasche. Dann machte ich die Tür auf und hinter mir zu und ging den Flur runter. Niemand zu sehen. Ich schaffte es zur Haustür, und als ich rauskam, nieselte es immer noch. Es tat gut, den Regen auf dem Gesicht zu spüren. Ich atmete tief durch, seufzte und machte mich auf die Suche nach meinem Auto. Es stand noch da. Ich ging hinten herum und sah mir den rechten Reifen an. Tatsächlich, er hatte kein Profil mehr. Ich brauchte einen neuen.

44
    Wieder mal ein Grund, deprimiert zu sein. Ich fuhr nach Hause, ging rein und machte eine Flasche Scotch auf. Scotchand-Water, mein alter Freund. Mit Scotch wird man nicht gleich einig, aber wenn man sich eine Weile damit beschäftigt hat, spürt man seinen Zauber. Scotch hat für mich einen besonderen Hauch von Wärme, den ich in Whisky nicht finde. Jedenfalls, ich saß in einem Sessel, die Flasche neben mir, und blies Trübsal. Den Fernseher knipste ich gar nicht erst an. Wenn man sich schlecht fühlt, wirds mit dem Scheißding nur noch schlimmer. Ein ödes Gesicht nach dem anderen. Es hörte nie auf. Eine endlose Prozession von Idioten, und manche von ihnen waren berühmt. Die Komiker waren nicht komisch, und der dramatische Kram war drittklassig. Da gab es für mich nicht viel anderes als Scotch. Aus dem
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