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Ausgeträumt

Ausgeträumt

Titel: Ausgeträumt
Autoren: Charles Bukowski
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Nieselregen war ein richtiger geworden, und ich saß da und hörte ihm zu, wie er aufs Dach prasselte. Es war ein Fehler gewesen, die beiden entkommen zu lassen. Und ich wußte, daß ich meinen ersten Informanten nie mehr wiederfinden würde. Ich stand wieder da, wo ich angefangen hatte. Der Red Sparrow hatte sich verflüchtigt. Ich war dumm gewesen und hatte nicht zugepackt. Mit meinen fünfundfünfzig Jahren stolperte ich immer noch im dunkeln herum. Wie lange konnte ich so noch weitermachen? Hatten die Unfähigen was anderes verdient als einen Tritt in den Arsch? Mein Alter hatte mir gesagt: »Verleg dich auf etwas, wo sie dir das Geld hinblättern und dann hoffen, daß sie’s wiederkriegen. Also Banken und Versicherungen. Nimm die Knete und gib ihnen ein Stück Papier dafür. Zapf sie an – sie werden immer noch was nachschießen. Die werden von zweierlei getrieben: Habgier und Angst. Dich treibt nur eins: Die Gelegenheit beim Schopf packen.« Das hörte sich nach einem guten Rat an. Nur daß mein Vater pleite war, als er starb.
    Ich goß mir den nächsten Scotch ein.
    Herrgott, sogar mit Frauen hatte ich versagt. Drei Ehen. War eigentlich jedesmal nichts wirklich schiefgelaufen. Kleinliches Gemecker, das hatte alles kaputtgemacht. Sich ereifern wegen nichts. An allem was auszusetzen finden. Tag für Tag, Jahr um Jahr. Ein Abnutzungsprozeß. Statt daß man einander unter die Arme griff, hackte man auf dem anderen herum und versteifte sich auf dies und das. Generve. Endloses Generve. Es wurde zu einem schäbigen Wettkampf. Und wenn man erst mal angefangen hatte, wurde es zur Gewohnheit. Man schien nicht mehr rauszukommen. Fast wollte man nicht mehr raus. Und dann stieg man aus. Ganz und endgültig.
    So, und da war ich nun. Saß da und hörte dem Regen zu. Wenn ich in diesem Augenblick tot umfiel, würde auf der ganzen Welt keiner eine Träne vergießen. Nicht, daß ich das gewollt hätte. Aber merkwürdig war es doch. Wie allein konnte man sein? Doch die Welt war voll von alten Knackern wie mir. Sie saßen da, hörten dem Regen zu und fragten sich, wo alles geblieben war. Das ist der Punkt, wo man weiß, daß man alt ist. Wenn man dasitzt und sich fragt, wo alles geblieben ist.
    Tja. Nirgends ist es geblieben. Ist auch nicht so gedacht. Ich hatte drei Viertel meines Lebens hinter mir. Ich machte den Fernseher an. Es lief gerade ein Werbespot. Einsam? Deprimiert? Kopf hoch. Rufen Sie eine unserer wunderschönen Ladies an. Sie möchten gern mit Ihnen reden. Mastercard oder Ladies an. Sie möchten gern mit Ihnen reden. Mastercard oder 8745.
    Sie zeigten die Girls. Kitty sah am besten aus. Ich trank einen Schluck Scotch und wählte die Nummer.
»Yeah?« Eine barsche Männerstimme.
»Kitty, bitte.«
»Sind Sie einundzwanzig oder drüber?«
»Drüber«, sagte ich.
»Master oder Visa?«
»Visa.«
»Geben Sie mir die Nummer und das Verfallsdatum. Außerdem Adresse, Telefonnummer, Sozialversicherungs– nummer und die Nummer Ihres Führerscheins.«
»Hey, woher weiß ich, daß ihr damit nichts anstellt? Auf meine Kosten, meine ich. Daß ihr die Angaben benutzt, um mich auszunehmen.«
»Hör’n Sie mal, wollen Sie mit Kitty reden oder nicht?«
»Denk schon …«
»Wir werben im Fernsehen. Wir sind schon zwei Jahre im Geschäft.«
»Na schön. Moment, ich muß das erst raussuchen.«
»Wenn Sie uns nicht wollen, dann wollen wir Sie auch nicht, Sportsfreund.«
»Was wird mir denn Kitty so alles sagen?«
»Es wird Ihnen gefallen.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Hey! … ja?«
»Schon gut, schon gut, Moment noch …«
Ich gab ihm alles durch. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie die Kreditkarte abgecheckt hatten. Dann hörte ich eine Stimme.
»Tag, Baby, hier ist Kitty!«
»Hallo, Kitty. Ich bin Nick.«
»Ohhhh, klingst du sexy! Ich werd schon ein bißchen erregt!«
»Ach was, meine Stimme ist nicht sexy.«
»Oh, du bist ja bloß schüchtern!«
»Nee, Kitty, ich bin nicht schüchtern …«
»Weißt du, ich hab das Gefühl, ich bin ganz nah bei dir. Als würd ich auf deinem Schoß sitzen und dich anschauen mit meinen großen blauen Augen. Du beugst dich runter, als ob du mich küssen willst …«
»Das ist doch Quatsch, Kitty. Ich sitz hier allein und trink ’n Scotch und hör dem Regen zu.«
»Paß auf, Nick, ein bißchen Phantasie mußt du schon reinbringen. Laß dich gehn, und du wirst überrascht sein, was wir alles miteinander machen können. Find’st du meine Stimme nicht gut? Find’st du sie nicht ein bißchen,
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