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Ausgetanzt

Ausgetanzt

Titel: Ausgetanzt
Autoren: Anni Bürkl
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Dunkelheit. Mochten sich die
Vögel und die Tiere des Waldes wundern.
    »Aber geh, heut ist das doch nicht mehr so«, warf Valerie
ein, »mein Ex-Freund hat kein Problem mit dem Haushalt gehabt.«
    »Und dann ist die Gerhild ihrem tollen Herrn Doktor
begegnet«, tönte eine Schwarzhaarige mit dunkler Stimme, die Berenike bereits
im Tanzkurs kennengelernt hatte. Sie hatte sich sofort gut mit Ellen
verstanden, und so waren sie nach den Kursen bei unzähligen Tassen Tee
beisammengesessen.
    Gerhild sagte nichts.
    »Sie hat ihn gleich geheiratet, den Hoffnungsträger der
Heilkunde, und ist mit ihm hierher zurück. Weil er so nett war und eine Hilfe
gebraucht hat in seiner neu übernommenen Praxis.«
    »Erinner mich nicht dran, Ellen, bitte.« Gerhilds graue Haare
sahen jetzt aus, als wären sie selbst niedergeschlagen, nicht nur ihre
Trägerin. Dann raffte sie sich auf. »Damals fand ich es eben vielversprechend,
mit ihm hierher zu kommen. Aber jetzt bin ich froh, dass das vorbei ist. Wisst
ihr, was das Neueste ist? Der Alfred behauptet, ihm laufen die Patienten weg,
weil ich nicht mehr in seiner Praxis arbeite. Ich hätte doch bei ihm bleiben
sollen, bis er in Pension geht. Dabei war unsere Trennung ein Ende mit
Schrecken. Der hat mich jahrelang beschimpft, ›du bist zu blöd für alles‹, so
hat der mich angeschrien, vor den wartenden Kranken.« Sie schaute Ellen
bedeutsam an.
    »Männer!« Selma sah sich Beifall heischend in der Runde um.
»Nützen dich aus und wenn’s was Besseres haben, sind’s weg.«
    »Verurteil doch nicht alle pauschal, nur wegen deiner Arbeit
im Frauenhaus«, erwiderte Ellen angriffslustig.
    »Wir können uns eine Welt ohne Männer eh nicht vorstellen,
was«, lachte Valerie und rieb sich die Arme. Es wurde wirklich kühl.
    »Vielleicht schon«, ließ Selma nicht locker.
    »Geh, das wär fad«, hielt ein extrem blasses Mädel dagegen,
das die ganze Zeit nicht von Valeries Seite abrückte. Es waren die ersten
Worte, die von ihr zu vernehmen waren.
    »Wer bist du eigentlich?«, fragte Selma.
    »Denise.« Die schlaksige junge Frau, die komplett in Schwarz
gekleidet war, stand mit hängenden Schultern da. Das T-Shirt zierte ein
Totenkopf über der eingesunkenen Brust. Ihre kurzen Hühnerbeine hatte sie in
Netzstrümpfe gehüllt, dazu trug sie einen knappen Lederrock und an den Füßen
unpassende Slipper. Auf ihrer Unterlippe glitzerte ein Piercing. Sie deutete
mit bleichem Kinn auf Valerie. »Ich wohn in dem Gasthaus, wo sie arbeitet,
meine Eltern haben mich mitgeschleppt. Sie finden, ich soll Farbe bekommen,
jetzt, wo die Uni Ferien hat. Ha! Bei Sonnenlicht bekomm ich Pickel. Valerie
hat mich hierher eingeladen, weil ich die Nacht und ihre Erscheinungen liebe.«
Auf einen ihrer schwarz lackierten Nägel war kunstvoll ein Totenkopf gemalt.
Wieder schrie ein Käuzchen und Denise sah sich lächelnd um.

     
    »Wo bleibt denn Caro?« Die junge, schlanke Frau,
die bei Helenas und Berenikes Kommen so nervös hin und her getigert war, bückte
sich nach ihren Sachen und warf sich mit einer einzigen schnellen Bewegung ein
Leopardenfell über. Ob echt oder nicht, konnte man im Dunkel kaum erkennen.
»Ich will endlich tanzen.« Rastlos machte sie ein paar Schritte.
    »Na, Rita, schon eine heiße Show in Aussicht?«
    »Leider nicht. Dabei nerven mich die bei Koromar furchtbar.«
Sie sah Berenike leidend an. »Kennst du wahrscheinlich nicht, das
Leiterplattenwerk. Ich muss dort als Sekretärin dahinvegetieren, bis man mich
entdeckt.«
    Die Kellnerin Valerie unterdrückte ein Grinsen, das man
wahlweise als nett oder ironisch auffassen mochte, und zupfte eine Zigarette
aus ihrer Packung.
    »Nicht hier, Valerie, bitte!« Gerhild sah sie tadelnd an.
    Valerie blickte kurz auf. »Na gut.« Sie steckte den
Glimmstängel zurück in die Schachtel. Eine Weile sagte keine was. Valerie und Denise
fingen zu tuscheln an. Sie brachen ab, als sie Berenikes Blick bemerkten.
    »Was verschlägt eine Schweizerin hierher?«, fragte Berenike
Valerie. »Ich dachte, die Löhne seien bei euch höher?«
    »Ja, das stimmt. Aber wie es der Zufall so will«, sie warf einen
Seitenblick auf Denise. »Oder Gott Amor … ich hatte private Gründe, eine
Lovestory.«
    »Ach so.«
    Immer noch keine Spur von Caro. Rita sah auf die Uhr,
trippelte weiter hin und her. »Vielleicht hat unsere beste Tanzkoryphäe einen
neuen Lover.« Rita konsultierte neuerlich ihre Uhr. Wieder Schritte. Zwei vor,
innehalten, zwei Schritte zurück. Gewicht verlagern.
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