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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt
Autoren: James W. Nichol
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grellen Licht die Augen zu, ertappt auf ihren Drahträdern und Drahtleitern, im Wassernapf und im Futternapf, oben, unten und, ja, sogar im Keller des Stalls, den er kunstvoll mit eigenen Händen gebaut hatte.
    Sie wirbelten herum und sahen zur offenen Tür, ihre rosa Schnäuzchen und schwarzen Diamantäuglein auf Bobby gerichtet.
    Dies hier war Bobbys Rechenstube, seine Stadt der Mäuse. Hier war Bobby der Chef, so wie sein Vater Chef war im »Betrieb«, wie er die Anordnung Dickens’scher Ziegelbauten nannte, die er unten am See besaß. Gleichgültig, was die Mäuse denken mochten, während sie eilig durch das Sägemehl trippelten und übereinander stolperten, hier hatte Bobby alle Macht. Er war der Herr.
    Er schloss die Tür und setzte sich auf einen Klappstuhl mit Armlehnen, den er aus einem der anderen Lagerräume gerettet hatte. Bald würde er ihnen Wasser bringen müssen. Und Futter. Vielleicht auch das Sägemehl wechseln. Er sah, dass es an manchen Stellen durchweicht war und schwarzgesprenkelt von Kacke. Aber momentan saß Bobby nur da und blickte sie unverwandt an.
    Damals, als er den Stall aus allen möglichen Resten zusammengebaut hatte, ihn mit einem Dutzend weißer Mäuse bevölkert und dann seinem Vater gezeigt hatte, hatte der Vater gelächelt.
    »Was ist das?«, fragte sein Vater.
    »Eine Mäusestadt«, antwortete Bobby.
    Sein Vater streckte die Arme aus und zog Bobby so fest an sich, dass sich die Gürtelschnalle schmerzhaft in sein Gesicht presste. Er strich Bobby über den Kopf, als hätte der soeben ein Tor geschossen.
    »Es war sehr tüchtig von dir, das alles selbst zu bauen«, sagte er. Und dann fügte er noch hinzu: »Du bist auch eine Maus.«
    Bobby sah zu seinem Vater hoch in der Hoffnung auf ein weiteres Lächeln, aber nur die bekannte Missbilligung zog wie ein Schatten über das Gesicht seines Vaters.
    »Verbring nicht zuviel Zeit hier unten«, sagte er im Gehen.
    Aber Bobby verbrachte eine Menge Zeit da unten. Er sah den Mäusen beim Bumsen zu. Sah, wie sie Junge bekamen. Die besorgten Mütter verbuddelten ihre rosa Kinderschar immer tief im Sägemehl. Und oft drängte sich eine aufgeregte Horde heran und schnappte die Kinder weg. Sie zerrten an den winzigen Körpern, schleiften sie herum, fraßen sie.
    Bobby begann, die Mäuse genauer zu beobachten. Bald erkannte er, dass alle verschieden waren. Er gab ihnen Namen.
    Manche waren ängstlicher als andere. Manche versuchten, für sich zu bleiben. Manche bumsten wild herum. Und manche drangsalierten die anderen, waren stärker als die anderen, rannten sie über den Haufen und bissen sie in den Schwanz, saßen im Futternapf, wurden fett und kackten hin, wo es ihnen passte.
    Seit ein paar Tagen spielte sich ein ganz bestimmter Mäuserich als Mäusekönig auf. Er stolzierte durch den Stall, ging hin, wo und wie es ihm passte, hinauf, hinunter, schubste die anderen von den Rädern und Leitern, als ob er alle Macht hätte. Bobby hatte die ganze Woche an ihn gedacht. Mit jedem Tag steigerte sich seine Erregung, die Spannung und die Vorfreude. Und jetzt war die Zeit gekommen.
    Er hatte das schon früher getan. Würde es immer wieder tun müssen. Als Herr über die Stadt der Mäuse blieb ihm gar nichts anderes übrig.
    Bobby stand auf, öffnete die obere Tür des Stalls, fasste rasch hinein und schnappte sich den Übeltäter. Er hielt ihn fest in einer Hand und streichelte den rosa Bauch mit dem Mittelfinger der anderen Hand. Er drückte fester zu und konnte fühlen, wie der Puls des Mäuserichs unter seinem Finger schlug, wie das Blut pochte, pochte.
    Arnold – so hatte Bobby ihn getauft – sah zu ihm hoch, schwarze Perlenaugen starrten in Bobbys Augen.
    Atemlos vor Erregung stellte sich Bobby auf seinen Stuhl, streckte den Arm aus und schnippte ein Stück Schnur von dem Sparren, auf dem er es versteckt hatte. Es hing über der Stadt der Mäuse. Ein Ende an einen Nagel gebunden, das andere mit einer Schlaufe versehen, baumelte es hin und her.
    Bobby steckte Arnolds Kopf durch die Schlinge, die er schon mehrmals verwendet hatte, und zog sie fest um seinen Hals. Dann ließ er Arnold los.
    Arnold zuckte und quiekte und verdrehte sich, versuchte, die Schnur hochzuklettern, fiel wieder hinunter, erstickte, baumelte in der Luft.
    Und Bobby stand da, wie angewurzelt, und sah zu.

[home]
    5
    A m nächsten Morgen um halb zehn stand Walker vor der schweren Holztür neben der Pfandleihe. Das Wohnung-zu-vermieten-Schild klebte noch immer daran.
    Er
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