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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt
Autoren: Charlie Huston
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Verschlag.
    – Hier unten kann man schließlich ganz schön auf den Hund kommen.
    Ich kratze mir die Nase mit einem rissigen Daumennagel, dessen Schmutzrand aus dem getrockneten Blut eines anderen Mannes besteht.
    – Wie hast du mich gefunden, Chubby?
    Er schüttelt den Kopf.
    – Joe.
    – Ich will wissen, wie du mich gefunden hast.
    Das Schütteln seines Kopfes breitet sich auf seinen ganzen Körper aus, seine Wangen beben, der Fettwulst über dem Hemdkragen erzittert, schließlich sein ganzer Körper.
    – Joe. Wenn du nur...
    Ich gehe in die Hocke.
    – Chubby?
    Tränen fließen aus den geröteten Augen, quellen zwischen den Fältchen hervor und rinnen zu seinem gewaltigen Doppelkinn hinunter.
    – Ich glaube, ich muss...
    Ich springe auf, stürze auf ihn zu und packe seinen Arm, bevor seine Beine unter ihm nachgeben.
    Da ich erst kürzlich Blut getrunken habe, bin ich sehr stark. Ich könnte Knochen brechen und Zähne zertrümmern; wenn es sein muss, könnte ich sogar einem gesunden Mann den Arm ausreißen. Trotzdem muss ich mich anstrengen, um den schlaffen Chubby nicht fallen zu lassen. Irgendwie gelingt es mir, ihn einigermaßen sanft auf den Boden zu befördern. Er liegt auf der Seite und schluchzt vor sich hin.
    – Ich muss mich setzen. Ich muss mich setzen. Tut mir leid wegen der Waffe, Joe. Ich. Oh, Joe.
    Ich hebe Dallas’ Pistole auf. Nur für den Fall, dass das alles ein fieser Trick ist, um an die Waffe zu gelangen. Eigentlich weiß ich, dass es nicht so ist. Aber mit der Kanone fühle ich mich besser.
    Chubby rollt sich auf den Bauch, vergräbt sein Gesicht im Dreck und heult noch lauter.
    Ich rauche und tigere dabei hin und her. Berühre ab und zu die Pistole.
    Nach einer Weile kriegt sich Chubby wieder ein, seufzt noch einmal tief und wälzt sich auf den Rücken. Ich strecke die Hand aus, er ergreift sie, ich ziehe, und er rutscht so lange auf seinem Hintern herum, bis er sich mit dem Rücken gegen den Holzbalken in der Mitte des Verschlags lehnen kann. Das Holz ächzt, einige Rigipsbrocken fallen von der Decke, der gesamte Verschlag neigt sich ein paar Zentimeter nach links, bricht aber nicht zusammen.
    Im Sitzen ist seine Hose bis zum Zerreißen gespannt. Er schafft es nicht, eine Hand in die Hosentasche zu stecken, und muss schließlich doch auf das blau-weiße Seidentuch zurückgreifen.
    – Sie ist weg, Joe.
    Ich zerdrücke die Glut der Zigarette zwischen den Fingerspitzen.
    – Wer ist weg, Chubby?
    Er wischt sich den mit Dreck vermischten Rotz von der Oberlippe.
    – Meine Tochter, Joe. Mein kleines Mädchen. Ich kann sie nirgends finden.
    Er sitzt hier vor mir in seinem ruinierten Anzug, den er extra für die Drecksarbeit angezogen hat, und versucht, den Schmutz wegzuwischen, der wie eine Art Kabuki-Schminke auf seinem Gesicht klebt.
    Und hört nicht mehr auf, von seiner Tochter zu reden.
    Als würde mir seine Tochter auch nur das Geringste bedeuten.
     
    Wäre möglich, dass ich Chubby noch was schuldig bin.
    Einmal hat er mir den Arsch gerettet, als ich mich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielt. Hat für mich gebürgt. Hat mit seinem Namen für mich eingestanden. Hat mir den Rücken freigehalten, als DJ Grave Digga, der Präsident des Hood, drauf und dran war, mir die Luftröhre rauszuschneiden, ein Liedchen drauf zu pfeifen und sich gleichzeitig in meinem Blut zu suhlen.
    Im Gegenzug hab ich ein paar Sachen für ihn erledigt, die man mit Fug und Recht als Drecksarbeit bezeichnen kann. Kann sein, dass wir damit quitt sind.
    Kann aber auch sein, dass sich doch noch ein Außenstand findet, wenn man die Bilanz mal ganz genau unter die Lupe nimmt.
    Wäre also durchaus möglich, dass ich dem Mann noch was schuldig bin.
    Trotzdem, wenn ich wollte, könnte ich die ganze Bilanz einfach für null und nichtig erklären. Ich habe ein Messer und eine Pistole – meiner Erfahrung nach völlig ausreichend, um alle offenen Rechnungen ein für alle Mal zu begleichen.
    Und was noch besser ist: Weder Dallas noch Chubby sind infiziert. Keiner von beiden trägt das Vyrus in sich. Sie wissen gerade genug, um ab und zu mit uns Geschäfte zu machen, aber im Prinzip sind sie clean. Ich könnte sie fest verschnüren und an einem sicheren Plätzchen verstauen. Sie könnten mich wochenlang mit Blut versorgen. Dallas ist topfit, Chubby fett wie eine Tonne. Sie würden lange vorhalten und ich wäre so gut genährt wie lange nicht.
    Ich denke ernsthaft darüber nach.
    Anscheinend macht mich die Kanalisation
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