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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt
Autoren: Charlie Huston
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Sexfilme was für echte Kenner. Es gab Sammler, die große Mühen auf sich nahmen, um in ihren Besitz zu gelangen. Oder sie dienten als eine Art Initiationsritus. Die jungen Männer stellten sich die Krägen auf und schlichen in die Kinos, um mal mit eigenen Augen zu sehen, wovon ihre Lehrer in Sexualkunde redeten. Wollten mal Titten sehen. Einen nackten Arsch. Eine Muschi . Und was sie dann sahen, überstieg ihre kühnsten Träume.
    Er lässt die Arme wieder sinken.
    – Jetzt ist alles fest in Amateurhand. Mit elf Jahren wissen sie schon, was Anilingus ist, und sie gelten als verklemmt, wenn sie sich noch nicht mit der Webcam dabei gefilmt und es anschließend auf ihre Facebook-Seite gestellt haben.
    Ich lasse Kieselsteine durch meine Finger gleiten und denke unfreiwillig an Dinge, die besser vergraben bleiben sollten.
    – Du wolltest mir was von deiner Tochter erzählen, Chubby. Und wie du mich gefunden hast.
    Er tätschelt Dallas’ Schulter, dann entfernt er sich ein paar Schritte von ihm.
    – Richtig, richtig. Ich wollte nur, dass du dir ein Bild von ihrer Mutter machen kannst. Obwohl sie der Post-Zelluloid-Ära angehörte, entstammte sie doch einer zivilisierteren Generation. Sie hat unsere Tochter gut erzogen. Mein kleines Mädchen lässt sich nicht mit obskuren Elementen ein. Sie ist in diese missliche Lage geraten, weil sie ihrem Herzen gefolgt ist.
    Auf meiner Handfläche liegt eine grüne Glasscherbe, die wie ein zersplitterter Edelstein aussieht. Es ist dasselbe Grün wie das einer Cutty-Sark-Flasche. Ich hätte jetzt gerne einen Drink.
    – Chubby, wenn du mir verklickern willst, dass deine Tochter keine Nutte ist, dann sag’s mir einfach. Auf deine alten Tage wirst du richtig geschwätzig.
    Er hebt die Augenbrauen.
    – Joe, wenn du in die Hocke gehst, nimmt dein Stiefel eine recht unnatürliche Form an. Ich würde vermuten, dass du einen Zeh verloren hast. Dein Knie klingt beim Gehen wie zerbrochenes Geschirr. Du hast nur noch ein Auge.
    – Und?
    Er lässt die Augenbrauen wieder sinken.
    – Wenn’s darum geht, wie man mit Würde altert, sollte ein Motherfucker wie du das Maul nicht so weit aufreißen.
    Ich lächle.
    – Ah, das ist der Chubby Freeze, den ich kenne.
    Er schnieft und rückt sich die Krawatte zurecht.
    – Nun, dem kannst du auch gleich wieder Lebewohl sagen. Das war nämlich sein einziger Auftritt in dieser Angelegenheit.
    Ich lasse die Glasscherbe fallen.
    – Wie hast du mich gefunden? Das ist eine viel wichtigere Angelegenheit.
    – Richtig.
    Er greift wieder in sein Jackett und bringt einen Humidor aus Leder zum Vorschein.
    – Meine Tochter neigt zwar nicht zu einem lockeren Lebenswandel, jedoch sehr wohl zu einer gewissen Abenteuerlust. Sie ist hoffnungslos romantisch. Nicht in einem melancholischen Sinn, sondern eher getrieben von einer gewissen unbedarften Sehnsucht nach... Poesie. Wie in ihrer Generation üblich ist sie außerdem sehr internetaffin. Sie hat online einen Jungen kennengelernt, lange mit ihm gechattet und hatte auch keine Hemmungen, ihn persönlich zu treffen. Selbstverständlich an einem öffentlichen Ort. Sie ist ja nicht dumm. Und obwohl das jetzt nicht gerade wie der Prolog einer modernen Version von Romeo und Julia klingt, hat sie sich doch in ihn verliebt. Er musste nicht lange um sie werben. Ein weiteres Symptom der heutigen Zeit.
    Mit einem leisen Plopp öffnet er den Deckel des Humidors.
    – Der Junge...
    Er nimmt das Ende einer Zigarre zwischen die Finger und zieht sie heraus.
    – ... war nicht...
    Er betrachtet die Zigarre und sucht nach Rissen im Deckblatt.
    – ... er war nicht...
    Offenbar ist er mit der Zigarre zufrieden und hält Dallas das Kopfende hin. Der bleckt die perfekten Zähne und beißt etwa einen Zentimeter davon ab.
    Chubby grunzt und zupft ein Stück des Deckblatts vom Zigarrenende.
    – Der Junge war nicht... normal.
    Er hält mir den Humidor hin.
    – Du verzichtest, nehme ich an?
    Ich schüttle den Kopf und drehe mir noch eine Zigarette.
    – Nicht mein Ding.
    Er nickt, schließt den Humidor und steckt ihn wieder in die Tasche. Als er seine Hand daraus hervorzieht, hält sie ein silbernes Feuerzeug etwa in der Größe und Form einer Schrotflintenpatrone vom Kaliber .12.
    – Du verpasst einen wahren Hochgenuss.
    Ich zünde mir stattdessen eine Zigarette an.
    – Der Junge war also infiziert, ja?
    Er knipst das Feuerzeug an, hält die Spitze der hohen blauen Flamme knapp unter das Ende der Zigarre, nimmt ein paar Züge und
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