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Ausgebremst

Ausgebremst

Titel: Ausgebremst
Autoren: Wolf Haas
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Jochen Rindt in der Parabolica tödlich verunglückt war.»
    Bruno nickte sehr ernst. «Ich erinnere mich gut. Das war damals die erste Saison, in der Liberante mich begleitete.»
    «Du hast nicht wissen können, daß er bei den Rennen sterben würde.»
    «Nein», sagte er nachdenklich. «Das hat man nicht wissen können. Als der TEXUNO-Mann auftauchte, war er mir zwar von Anfang an nicht geheuer. Aber so etwas hätte ich ihm nicht zugetraut.»
    «Wenigstens ist er nicht davongekommen», sagte ich.
    «Ja, wenigstens das. Ich bin froh, daß alles ein Ende hat. Und ich bin froh, daß ich nie wieder das TEXUNO-Schild sehen muß.»
    Ich nickte und erzählte Bruno die Geschichte von Mr. Weeser und den italienischen Cockpitverteilern. «Hast du jemals von diesen Cockpitverteilern gehört?» fragte ich ihn.
    Er überlegte kurz, sagte dann aber: «Fangen wir lieber nicht wieder damit an. Ich habe genug von diesen Geschichten.»
    «Ich weiß nicht, warum ich nicht davon loskomme. Es ist wie eine Krankheit.»
    «Man soll nach vorn blicken», sagte Bruno. «In Italien sagen wir: Laßt die Toten die Toten begraben.»
    «Das sagt ihr nicht nur in Italien. Es ist aus der Bibel.»
    «Siehst du, um so besser. Deshalb veranstalten wir fröhliche Feste im Andenken an die Toten. Nicht traurige Feste. Fröhliche! Die Toten müssen sich für die Lebenden freuen, nicht umgekehrt.»
    Ich hatte das Gefühl, daß er das so betonte, weil er es sich selbst einreden mußte.
    «Drei Tote sind kein Grund zum Fröhlichsein», sagte ich.
    «Wem sagst du das? Aber sie werden so oder so nicht wieder lebendig. Man muß nach vorn blicken.»
    Mir wurde wieder einmal klar, wie unfähig ich dazu war. Von der Vergangenheit loszulassen und mich in das Leben zu stürzen. Aber wenigstens hatte ich jetzt nicht lange Zeit, über diesem Gedanken trübsinnig zu werden.
    Denn ich mußte mich gegen einen Vorschlag Brunos zur Wehr setzen.
    «Nächste Woche haben wir in Catania ein großes Fest im Andenken an Liberante», sagte er. «Ich möchte, daß du auch kommst.»
    Wäre das nicht wieder mein ewiggleiches Verhalten gewesen? Tausend Kilometer fahren zum Gedenken an einen ermordeten Kollegen? Sollte ich mich nicht lieber endlich mit meiner Zukunft beschäftigen?
    «Ich glaube, ich muß einmal etwas Abstand von der Sache gewinnen», erklärte ich zögernd.
    «Es ist ein riesiges Fest. Über hundert Leute werden kommen. Du mußt wissen, daß mein Bruder Bürgermeister ist. Er wird alle Verwandten einladen. Unsere Verwandten aus Frankreich und die Pizzeriawirte aus Deutschland wird er sogar mit seinem Privatflugzeug einfliegen lassen.»
    «Ich spreche ja nicht einmal Italienisch», sagte ich noch. Mein Widerstand begann aber schon zu schwinden. In all den Jahren war mir Liberante immer der weitaus sympathischere der beiden Cousins gewesen, jetzt bemerkte ich erstmals, wie warmherzig auch Bruno sein konnte.
    «Er kann auch dich abholen!»
    «Wer?»
    «Der Pilot meines Bruders. Er hat ohnehin nie etwas zu tun. Es ist reine Prestigesache für einen italienischen Bürgermeister, daß er sein eigenes kleines Flugzeug hat.»
    «Das ist nicht notwendig», winkte ich ab. «Ich weiß nicht, ob ich kommen kann. Ich brauche einmal ein paar Tage zu Hause.»
    «Das ist kein Problem», sagte Bruno. «Du hast es von hier ja nur zwei Stunden nach Hause. Und in fünf Tagen holen wir dich ab. Du bist unser Ehrengast. Ein Taxi holt dich zu Hause ab, bringt dich zum Flugzeug, und drei Stunden später sitzt du bei uns im Garten und betrinkst dich mit meiner Schwester!»
    «Ist das die Schwester, die immer eure Ölgemälde der Ferrari-Piloten gemalt hat?»
    «Genau die», lachte Bruno. «Eine Künstlerin! Aber ich warne dich. Wenn du sie küßt, mußt du sie heiraten.»
    Er lachte darüber so schallend, daß der ungarische Wirt uns einen Schnaps auf Kosten des Hauses ausgab.
    Als ich fünf Tage später dem Taxifahrer die Haustür öffnete, fiel mir sofort sein unnatürlich weißes Gesicht auf. So weiß wie der Helm des walisischen Shadow-Piloten Tom Pryce. Nur über dem Visier war der Helm von Tom Pryce mit einem schwarzweißen «Zebrastreifen» verziert. Im nachhinein erschien mir dieses Zebramuster immer als ein böses Omen. Denn ein Fußgänger sollte den jungen Waliser das Leben kosten. Ein südafrikanischer Streckenposten lief in der dreiundzwanzigsten Runde mit einem Feuerlöscher in der Hand über die Strecke. Genau zu dem Zeitpunkt, als der Shadow von Tom Pryce mit fast
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