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Ausgebremst

Ausgebremst

Titel: Ausgebremst
Autoren: Wolf Haas
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klar war, daß sie immer noch mit ihrem Mann redete: «Die gesamten siebzehn Millionen Mark sind einfach verschwunden. Und die Spuren führen nach Italien. Kein Wunder, daß alle von der Mafia reden.»
    «Mafia!» lachte Stiedl arrogant auf. Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß seine Aggressionen weniger Theresa galten als dem Mann auf der Rückbank, der ihn in diese Situation gebracht hatte.
    «Das war sicher nur ein Ablenkungsmanöver der deutschen Gerichte», dozierte er. «Um die Fahrlässigkeit und Vertuschungspolitik der deutschen Banken zu kaschieren. Der Johann Berger ist doch nicht blöd. Beim betrügerischen Erschleichen einer Kreditsumme weißt du von vornherein, daß die Tat hundert Pro auffliegen wird. Du mußt mit dem Geld nur rechtzeitig im Ausland sein. Es ist doch völlig unsinnig, wenn ein reicher Unternehmer wegen zwei Millionen Mark sein Abtauchen in den Untergrund plant. Das ist ja grotesk, wenn man bedenkt, was allein sein Sohn verdient.»
    Es war schon grotesk, wieviel sich Stiedl auf die Argumente einbildete, die ihm Theresa offenbar in den letzten Tagen aus meinen Briefen vorgelesen hatte. Aber es war ja schon immer seine Stärke gewesen, sich mit dem Eigentum anderer Leute zu schmücken.
    Ich hörte ihn auf den nächsten Kilometern ausbreiten, was ich Theresa in meinen Briefen immer wieder erklärt hatte. Wie Johann Berger nach seiner Verhaftung zur allgemeinen Überraschung erst nach einem halben Jahr aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Und auch zu diesem Zeitpunkt nur gegen zwei Millionen Mark Kaution. Er durfte allerdings Deutschland nicht verlassen, so daß er sich im Grenzort Kiefersfelden, in der Nähe seines Tiroler Heimatortes Wörgl, niederließ, um von dort aus seine Flotte von 250 Lastwagen zu dirigieren.
    Nach einiger Zeit fuhr Johann Berger allerdings über die Grenze und stellte sich in Österreich als Flüchtling den Behörden. Sein Gerichtsverfahren wanderte mit.
    Erst im März 1997, also fast drei Jahre nach Johann Bergers Verhaftung in Deutschland, kam es zum Prozeß. Johann Berger, der wie alle Kenner der Lage fest mit einem Freispruch gerechnet hatte, wurde zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Natürlich legte er Nichtigkeitsbeschwerde ein und blieb so vorübergehend auf freiem Fuß. Er war nach wie vor zuversichtlich, daß ihn der Gang zum obersten Gerichtshof rehabilitieren würde.
    Ausgerechnet dieser Tag im März 1997, an dem das unglaubliche Fehlurteil über Johann Berger gesprochen wurde, ließ mich erstmals wieder Hoffnung schöpfen.
    Eine Motorsportzeitschrift widmete dem Prozeß besondere Aufmerksamkeit und versuchte die Kanäle nachzuzeichnen, in denen die 17,5 Millionen Mark zwischen den Banken und Gianfranco Ramoser hin- und hergeflossen waren, bis nichts mehr da war. Ramoser war zwar mittlerweile in Frankreich in Haft, doch offenbar war auch er nur ein kleines Rädchen in dem ganzen Unternehmen.
    Die Frage, wer letztlich hinter dem Großbetrug steckte, konnte auch der Artikel nicht beantworten. Er zählte nur ein undurchschaubares Gestrüpp von Schein- und Briefkastenfirmen auf. Eine dieser Firmen hieß: Bruno Graziano Souvenirs Ltd.
    «Höchste Zeit, daß wir dich da herausgeholt haben», drehte sich Theresa zwischendurch wieder einmal zu mir um und bedachte mich mit ihrem Lebenshilfelächeln. «Deine letzten Briefe waren so furchtbar deprimierend!»
    Ich konnte ihr nicht gut sagen, daß es in der Zelle besser war als hier auf der Rückbank.
    Und ich wollte ihr auch nicht sagen, daß ich genau wußte, weshalb sie mich aus Stein herausgeholt hatten. Daß es ihnen gar nicht um meine Freiheit ging. Die Verwicklung Bruno Grazianos in die Ramoser-Geschäfte machte zwar einerseits meine Aussagen über Brunos Taten glaubhafter. Es ging ihnen aber eigentlich darum, mich im Gegenzug als Entlastungszeugen für Johann Berger ins Spiel zu bringen.
    Sie wollten sich nur als die großen Retter des Rennfahrervaters Johann Berger aufspielen. Damit sie ein für allemal mit den Prominenten, die sonst nur ihre Kunden waren, auf einer Ebene standen.
    Theresa sah ihren Mann, der sonst nur gealterte Gesichter reparierte, schon auf den Titelseiten: der Schönheitschirurg, der das verlorene Gesicht des verleumdeten Rennfahrervaters wiederhergestellt hatte. Eine einmalige Chance, seine Profession mit einem Schlag aus dem halbseidenen Bereich in die Dimension moralischer Autoritäten, ehrbarer Gesichtswiederhersteller zu katapultieren.
    Nur deshalb holten Stiedl
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