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Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)

Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)

Titel: Ausgeblüht: Kriminalroman (Psycho-Krimi) (German Edition)
Autoren: Mali Benro
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Das galt auch für ihr schickes Haus in nobler Wohngegend. Im großflächigen Wohnzimmer trug ein doppelt geknüpfter Persianerteppich die gewaltigen Ledersessel, die um einen tiefen Marmortisch drapiert waren. Gleich neben dem Kamin glänzte der polierte schwarze Flügel. Ein „Steinway Crown Jewels“, wie Saskia stets stolz betonte, wenn sie ihn vorsichtig öffnete und ihre Gäste mit den ungarischen Tänzen von Johannes Brahms beglückte. Zum perfekten Arrangement des Wohnzimmers gehörte auch die kleine Biedermeierkommode, auf der in silbernen Fotorahmen nette Portraits der Familienangehörigen aufgestellt waren. Das Hochzeitsfoto mit Saskia, in weiße Seide gehüllt, und Albert im Nadelstreifenanzug. Daneben die Schwiegereltern vornehm lächelnd, und eine unscharfe Aufnahme ihrer Mutter, die frühzeitig verstorben war.
    Das Herzstück des Anwesens war der Garten. Wenn Olivia sich zum Nordic Walking aufraffte, um ihre überflüssigen Pfunde abzuwandern, bestaunte sie die nett dekorierten Balkonpflanzen, oder traf Saskia, wie sie den Rasen millimetergenau zurecht stutzte, die Terrassenmöbel aus teurem Rattangeflecht für den nächsten Empfang herrichtete oder den beheizten Swimming Pool reinigte. Glücklich und zufrieden lächelte sie in der Mitte ihres verwunschenen Paradieses, wenn sie mit zerzaustem Haar, Gummihandschuhe übergestreift, die Gartenschere im Anschlag, eines ihrer vielen Rosenbäumchen stutzte, während im selbst angelegten Teich die Goldfische im Sonnenschein schillerten.
    Dieses idyllische Leben wollte sie aufgeben und eventuell sogar mit dem Freitod beenden? Das war sicher wieder eines ihrer Hirngespinste, die sie unkontrolliert mitteilte, um sie im nächsten Moment wieder zu verwerfen. Aber was sollte Olivia darauf erwidern? Sie war Dolmetscherin, keine Psychologin, und fühlte sich überfordert. Jeden Anruf aus der tiefsten Ukraine hätte sie lieber synchron übersetzt, als hier nun zu antworten. Was war richtig und was falsch? Filmszenen aus irgendwelchen Krimis schossen ihr durch den Kopf, in denen sich verzweifelte Menschen von Dächern stürzen wollten und redegewandte Kommissare, in Selbstaufgabe todesmutig am Abgrund stehend, ihrem Instinkt folgend, den Sprung heldenhaft verhinderten.
    Aber Saskia stand ja gar nicht am Abgrund, sie saß zu Hause, wahrscheinlich in der Waschküche, damit sie niemand hörte, und dramatisierte einen Vorgang nur deshalb, weil sie dafür keine Erklärung hatte. Frank war sicherlich mit ein paar Kumpels unterwegs und hatte keine Lust auf sie. Oder in den Fängen seiner Ehefrau und konnte einfach nicht mit ihr reden. Ihre emotionalen Achterbahnfahrten kannte Olivia nur zu gut. Es war immer das gleiche Spiel. Olivia wurde in Alarmbereitschaft versetzt und grübelte über Rettungsplänen, während Saskia schon wieder unbekümmert wie ein Schmetterling durch die Gegend flatterte. „Diesmal legst Du mich nicht rein“, dachte sie und konterte schnöselig: „Es ist kurz nach Mitternacht, Keith Jarrett hat längst ausgespielt und ich habe es nicht mitbekommen, mir ist kalt, ich bin müde, und was Du da erzählst, ist ja wohl purer Schwachsinn und keine Lösung.“ Saskia schluchzte.
    „Doch, wenn uns die Welt dazu zwingt, dann ist das die einzige Lösung.“ Olivia konnte sie nicht leiden, wenn sie so dickköpfig und theatralisch war, schon gar nicht um diese Uhrzeit. Frierend stieg sie mit einer Hand in ihren Pyjama und verabschiedete sich. Die Freundinnen vereinbarten zu telefonieren, und das war ihr letzter Kontakt.
    Dicht drängte sich der Verkehr auf der Berliner Straße. Es ging aufs Wochenende zu. Viele Autos zogen ein Boot auf ihrem Anhänger und bewegten sich nur stockend in dem Kleinod der begehrten Berliner Vorstadt zwischen dem Heiliger und Tiefer See. Glücklicherweise fuhr Olivia entgegengesetzt, Richtung Nördliche Innenstadt, aber ihre Aufmerksamkeit war auch hier gefordert. Sie achtete auf die Straße und gleichzeitig auf die Ansagen aus dem Navigationsgerät, den Radiosprecher und die Nachrichten und versuchte, die letzten Tage zu rekonstruieren, doch alles zusammen funktionierte überhaupt nicht. Ein wildes Durcheinander verhinderte jeden klar strukturierten Gedanken, der irgendeinen Sinn ergeben hätte. Die aktuelle politische Lage vermischte sich mit der Wegbeschreibung, Bildern und Dialogfetzen zu einem undefinierbaren Brei. Als jemand vorpreschte und ihr die Vorfahrt nahm, musste Olivia eine Vollbremsung hinlegen, in diesem Moment
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