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Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene
Autoren: Kathrin Heinrichs
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sie erzählte, konnten mit ihrem Namen wahrscheinlich gar nichts anfangen. Ich trank ein Bier nach dem anderen, um den Monolog ertragen zu können.
    »Ich sag dir nochmal, die Leute hier sind einfach langweilig, spießig und, und …« Ihr fehlten die Worte. Sie schien völlig vergessen zu haben, daß zwei ihrer Freunde neben ihr standen, die bei ihrer Lautstärke alles mit anhören mußten. Das Gegackere ging weiter, aber nach dem zehnten Bier machte es mir nichts mehr aus. Es war eine schöne Untermalung meiner abschweifenden, nicht mehr ganz geordneten Gedanken, die in die Vergangenheit wanderten.
    Damals, als Angie von ihrer Recherche in den neuen Bundesländern zurückgekommen war, war auf einmal alles ganz schnell gegangen. Angie hatte sich nach ihrer Ankunft telefonisch bei mir gemeldet, und bevor ich überhaupt meinen Namen hatte sagen können, waren ihre Vorwürfe schon losgegangen: »Es ist ja überaus reizend, nebenbei zu erfahren, daß du Köln bald verlassen wirst.« Eine Katastrophe. Sie hatte die ganze Geschichte also schon von Jochen erfahren, der wiederum mit Robert gesprochen haben mußte …
    »Sehr nett, daß du solche Entscheidungen ohne mich fällst! Ich meine, wir kennen uns ja kaum, nicht wahr?«
    »Angie, es ist so. Ich war–« Jeder Versuch, sie zu unterbrechen war völlig chancenlos.
    »Daß diese Entscheidung das Ende unserer Beziehung bedeutet, ist dir ja wohl klar?«
    »Angie, bist du verrückt? Ich werde demnächst nur zwei Autostunden von dir entfernt arbeiten. Wie kannst du vom Ende unserer Beziehung reden?«
    »Versuch mir nicht irgendwas von Wochenendbeziehungen zu erzählen! Das kannst du vergessen. Guck dir Rita und Thomas an oder Bernd und Antje! Das hält kein erwachsener Mensch auf Dauer aus! Vergiß es! Ich bin nicht deine siebzehnjährige Freundin, die sehnsüchtig darauf wartet, daß deine Bundeswehrzeit vorbei ist.«
    »Angie, ich bitte dich! Ich weiß doch gar nicht, ob ich bei diesem Job bleibe. Vielleicht kann ich mich auch nach einer bestimmten Zeit versetzen lassen. Außerdem habe ich gelegentlich mal Schulferien. Ganz abgesehen davon könnte man sich dann und wann am Wochenende mal zum Tee verabreden. Laß uns das Ganze doch mal mit Vernunft angehen!«
    »Vergiß es!« Angies Stimme überschlug sich. »Weißt du, was mich am meisten aufregt? Daß du überhaupt Lehrer werden willst – ein langweiliger, miefiger Provinzpauker!« Mir verschlug es die Sprache.
    »Weißt du, wie du dich verändern wirst? Du wirst dich nur noch über pubertierende Teenager unterhalten können. Du wirst in einem Kaff wohnen. Du wirst–«
    »Angie!« Mein Brüllen hatte sie verstummen lassen. »Weißt du eigentlich, was du da sagst? Wir sind seit drei Jahren zusammen. Wir lieben uns. Wir wollen immer zusammenleben. Und du redest von tiefgreifenden Veränderungen, nur weil ich jetzt den Beruf ausüben will, für den ich eigentlich studiert habe?« Ein Klicken am anderen Ende der Leitung. Angie hatte aufgelegt. Ich konnte es nicht fassen. Natürlich hatte ich Angie von dem ganzen Trara der letzten Tage selbst erzählen wollen. Aber trotzdem war ihre hysterische Reaktion mehr als zuviel gewesen. Ich nahm einen großen Schluck Bier.
    »Ich muß jetzt gehen!« Wahrscheinlich hatte ich Friederike gerade mitten in einer Pointe unterbrochen. Sie blickte mich erstaunt an, dann faßte sie sich wieder.
    »Na, prima, ich wollte auch gerade los!« Ich schloß die Augen, hörte aber plötzlich eine Stimme hinter mir.
    »Friederike, tut mir leid wegen deines verpatzten Auftritts in der Marienkirche! Klaus hat’s mir schon erzählt.«
    Zwei Typen standen vor uns. Der, der gesprochen hatte, wurde gerade von Friederike zur Seite geschoben und im halblauten Ton massakriert. Der andere grinste und war niemand anders als mein Lebensretter.
    »Max?« fragte ich unsicher.
    »Stimmt! Freut mich zu hören, daß kein Erinnerungstrauma vorliegt.«
    »Keine Spur! Ich bin ziemlich in Ordnung.«
    »Sollen wir noch einen trinken gehen?« fragte Max. »Vielleicht woanders?«
    Wenn mein Gefühl mich nicht trog, wollte er vor Friederike Glöckner fliehen, die nun gestikulierend mit seinem Kumpel verhandelte. Ich legte einen Geldschein hin.
    »Na, dann zeig mir doch mal die heimische Kneipenwelt!«, sagte ich beim Hinausgehen. Ich bemerkte kaum, daß ich ins Du verfallen war.
    »Das Wichtigste ist eigentlich, daß du eins lernst«, erklärte Max ganz ernst neben mir, »du weißt ja, daß hier im Sauerland ziemlich viele
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