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Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten

Titel: Ausdruckstanz ist keine Lösung: Geschichten
Autoren: Andreas Scheffler
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bekäme sie ihre Periode, ob ich beim Sex Probleme damit hätte. Denn wenn ja, wüsste sie nicht, ob das mit uns klappen würde. Ich habe erst mal gesagt: »Weiß nicht.« Man redet nicht gern darüber. Man hört auch nicht gern davon. Wir haben uns dann eine gute Woche lang nicht getroffen. Ich hätte sie auch fragen können, ob sie ein Problem damit hätte, wenn beim Sex mein Genital höllisch bluten würde. Hab ich aber nicht. Denn man redet nicht gern darüber. Man hört auch nicht gern davon.
    Endlich bin ich an der Kasse durch. Die Kassiererin wünscht mir noch einen schönen Tag, ich packe meine Einkäufe in einen Leinenbeutel, da hält der Opa hinter mir inne.
    »Mensch«, sagt er, »da hätte ich glatt beinah was vergessen. – Rita!«, brüllt er der Ladenkraft zu, die gerade dabei ist, Waren in Regale zu sortieren, »bringst du mir wohl mal’n Beutel von der Watte?«
    Rita ruft: »Machen deine Hämorrhoiden wieder Zicken?«
    »Aber hallo!«, schreit der Opa. »Das ist wie die Pest am Arsch. Ich hab schon alles blutig gekratzt!«
    »Tschüss«, sage ich und denke: Schön, mal drüber geredet zu haben.

Ich will keinen Boliden
    Warum sauen Formel-1-Fahrer eigentlich bei Siegerehrungen immer mit teuren Magnum-Flaschen voller Sekt herum, bespritzen sich und andere mit dem klebrigen Zeug und albern dabei herum, als hätten sie gerade gleichzeitig unerwartet das Abitur geschafft, Haschkekse gegessen und die Welt gerettet? Warum nennen sie sich Piloten und nicht einfach Rennfahrer, und warum steigen sie in einen Boliden, was nichts anderes ist als ein besonders heller Meteorit, und nicht in einen Rennwagen? Ich habe damals in der Fahrschule Gülich in Gütersloh gesagt: »Ich möchte meinen Führerschein Klasse drei machen.« Und nicht: »Ich würde gern die Pilotenlizenz für einen Boliden erwerben.« Das ist nicht meine Welt. Ich gucke mir das nicht an. Sollen sie ein Schweinegeld verdienen, viel herumkommen, angeblich wichtige Leute kennenlernen, ab und zu einen Nervenkitzel erleben und dafür ihren Hals riskieren. Warum soll ich mir das angucken? Unfälle in den Nachrichten, die sehe ich mir gern an. Und denke: Das ist der Preis der Hybris. Für eine Masse Menschen aber sind das alles Helden. Ganz viele klemmen sich sonntags vormittags vor den Fernseher und starren dumpf auf den Bildschirm, wo Spezialisten im schnellen Autofahren stupide viele Runden der immer gleichen Strecke entlangfahren. In Finnland ist es noch heute so, dass, wer sich abfällig über Mika Häkkinnen äußert, Gefahr läuft, eine aufs Maul zu bekommen. Fanatische Autofahrer gehören zum Schlimmsten, was es gibt. Die kaufen regelmäßig die Auto Bild und Auto Motor Sport. Und wenn irgendwo eine Geschwindigkeit begrenzt wird, fahren sie in die Waschanlage und veranstalten anschließend einen Autokorso auf der ehemaligen Berliner Rennstrecke Avus. Wenn jemand vorschlägt, bei Autos mit sehr hohem CO 2 -Ausstoß höhere Steuern zu verlangen, beschwert sich der ADAC. Das ist, wie wenn ich ständig in den Hausflur pinkeln würde, die Nachbarn daraufhin von mir wenigstens einen höheren Betriebskostenanteil fordern würden und der Deutsche Interessenverband Inkontinenz würde Einspruch erheben.
    Wir haben einen kleinen Toyota. Sabine hat sich aus Spaß mal in so ein Internetforum eingeloggt. Da kommen jetzt täglich Mails wie von Achim aus Amberg: »Bei meinem Corolla klappert es seit einiger Zeit so komisch in der rechten Lüftung. Wer hat ähnliche Erfahrungen?« – Was soll man da antworten? – »Ja, ich.« Oder: »Nö, noch nix gehört.« Oder auch: »Mensch, Achim, das hört sich aber schlimm an. Lass dir schnell in der Werkstatt das Laub aus dem Ventilator pulen, sonst fliegt dir der Wagen bald um die Ohren. Bei meinem Schwager zum Beispiel, und so weiter, und so weiter …« Autofahrer, wenn sie mehr wollen, als von A nach B zu kommen, sind gestörte Menschen. Sie sind thematisch extrem eingeschränkt, haben keine soziale Kompetenz, sind intellektuell auf unterstem Niveau, sind einfach dumm. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, es sind die Gleichen, die beim Fernsehn in der Werbepause telefonisch die Frage beantworten: »Der schiefe Turm von Pisa steht A) in Florenz oder B) in Pisa«, um einen Flachbildfernseher zu gewinnen. Wer mich jetzt für arrogant hält, hat möglicherweise recht.
    Aber neulich. Freitagnachmittag auf der A 13 Richtung Berlin. Ich will zum Baumarkt. Im Raum Ragow, Mittenwalde gibt es keine
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