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Aus reiner Notwehr

Aus reiner Notwehr

Titel: Aus reiner Notwehr
Autoren: Karen Young
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verschlimmert doch alles nur, wenn er so vielen Menschen Schmerzen zufügt.”
    “Deinem Stiefsohn sind die Qualen anderer völlig schnuppe. Ihn interessieren einzig und allein seine eigenen.” Nick versuchte, seine Stimme so sachlich wie möglich zu halten. “Du bist in sein Leben getreten, Amber, als er einsam und allein war, als er Wärme und Zuneigung benötigte. Du kannst ihn jetzt ein zweites Mal retten. Von seinem Vater hatte er nichts zu erwarten außer Härte und Kritik, doch von dir bekam er Liebe. Danach nahm alles bedauerlicherweise die falsche Richtung; das weißt du, und bald wird alle Welt es wissen. Niemand ist imstande, so etwas zu verheimlichen.”
    “Mit meiner Karriere ist Schluss.” Ihre Stimme hatte etwas Schmollendes und zugleich Trotziges. “Zumindest hier in New Orleans.”
    Nick hätte sie vor Grimm packen und schütteln können. “Karriere! Es geht hier um das Leben meines Sohnes! Er hat mit diesem ganzen Kokolores nicht das Geringste zu schaffen! Ich bitte dich in aller Form – geh hinüber ins Haus! Versuch, Stephen dazu zu bewegen, die Waffe niederzulegen und Cody freizulassen.”
    “Du hasst mich, Nick, nicht wahr?”
    Er starrte auf seine und auf ihre Hand, eine Antwort wollte ihm nicht gleich einfallen. Alles, aber auch alles betrachtete diese Frau ausschließlich unter den egoistischen Vorzeichen ihrer eigenen Wünsche und Bedürfnisse. “Amber, ich bin mir im Augenblick über meine Gefühle selbst nicht im Klaren. Aber eins weiß ich, nämlich, dass ich eine Scheißangst um meinen Jungen habe. Ich glaube, ich würde es nicht überleben, wenn ich ihn verlöre.”
    Sie wandte sich ab und starrte durch das gegenüberliegende Seitenfenster. “Erst bringt er mich um und dann sich selber. Das ist dir doch bewusst, oder?”
    “Es sei denn, du kannst ihn davon überzeugen, dass es sich lohnt, weiterzuleben.”
    Amber entzog ihm ihre Hand, drehte sich um und betrachtete die Eingangstür zum Hause ihres Vaters. Ihre Miene war völlig ausdruckslos. “Es musste mal so kommen”, murmelte sie. “Irgendwann bezahlt man für seine Taten.” Dann schaute sie Nick in die Augen. “Victoria forderte mich auf, meinen Mann zu verlassen, aber genau wie sie brachte ich den Mut nie auf.”
    “Es war Victoria. Sie hat Deke erschossen”, gab Nick zurück. “Vor ein paar Minuten hat sie es Sam und Kate im Krankenhaus gestanden.”
    “Tatsächlich?” Amber schien nicht besonders überrascht. Nick warf einen Blick auf seine Armbanduhr. “Noch sechs Minuten bis zum Ablauf des Ultimatums.”
    Amber öffnete ihr Kosmetiktäschchen, kontrollierte in einem winzigen Taschenspiegel ihr Make-up, zog rasch mit einem Stift ihre Lippen nach und überprüfte den Sitz ihrer Frisur. Zum Schluss schenkte sie Nick ein strahlendes Lächeln. “Halt mir die Daumen,
cher!”
    Mit dem Schauplatz des Geiseldramas im Wohnhaus von Leo Castille als Hintergrundkulisse bereitete sich der Sonderkorrespondent des lokalen Nachrichtensenders WD SU auf seinen Einsatz vor. Die Schaulustigen hatten sich größtenteils zerstreut, einige wenige sahen den Medienleuten noch bei der Beendigung diverser Sondersendungen oder beim Abräumen zu. Vereinzelt standen noch Einsatzfahrzeuge der Polizei auf dem Gelände, doch Chief Escavez räumte bereits in einem von Sloan gesteuerten Streifenwagen die Stellung. Der Reporter fuhr sich ein letztes Mal mit der Hand übers Haar, bevor er mit nahezu feierlicher Miene auf sein Stichwort hin auf Sendung ging. “Mittlerweile hat sich die Lage spürbar entspannt, die Geiselnahme ist unblutig zu Ende gegangen, nachdem Stephen Russo, der Geiselnehmer, sich von den Polizeikräften widerstandslos festnehmen ließ. Cody Santana, die Geisel, blieb unversehrt, insbesondere dank des selbstlosen Einsatzes von Amber Russo. Stephen Russo wich nie von der Forderung ab, seine Stiefmutter, die Witwe des kürzlich ermordeten Talkmasters Deke Russo, müsse zu ihm in das Gebäude kommen. Vor einer halben Stunde kam Mrs. Russo dieser Forderung nach, und innerhalb weniger Minuten durfte die Geisel das Haus verlassen. Bei ihr handelt es sich um den vierzehnjährigen Sohn des Kriminalbeamten Nick Santana aus New Orleans, der erst im März dieses Jahres in Ausübung seines Dienstes schwer verwundet wurde und sich zur Genesung hier in Bayou Blanc aufhielt.”
    Der Reporter musste eine Zwangspause einlegen, da seine Stimme von einem in geringer Höhe über ihn hinwegdröhnenden Hubschrauber übertönt wurde. Dann
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