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Aus Licht gewoben

Aus Licht gewoben

Titel: Aus Licht gewoben
Autoren: A Bracken
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und hinterhältig geworden?«, fragte er verwundert. Vorsichtig berührte er meine kurzen Locken.
    »Ich habe wohl zu viel Zeit mit Zauberern verbracht«, erwiderte ich.
    »Ich habe eine Bitte an dich«, sagte North zögernd. »Du musst natürlich nicht. Es ist nur eine dumme alte Tradition, die Glück bringen soll.«
    »Was ist es denn?«, fragte ich.
    »Würdest du mit zu den Zelten kommen?«, bat er. »Ein Zauberer soll seine Dame darum bitten, ihm die Waffen anzulegen. Das bringt angeblich Glück. Danach würdest du mit den anderen Frauen wieder zum Palast zurückgehen.«

    »Natürlich«, sagte ich und nahm seine Hand. »Mit dir würde ich überall hingehen.«
     

     
    North sprang mit mir ans Ufer des Lyfe. Ich ließ seine Hand nicht los, während wir uns einen Weg durch Hunderte bunter Zelte bahnten, die Zauberer und Arbeiter beherbergten.
    »Komm«, sagte er, »wir haben nicht mehr viel Zeit.«
    In dem Versorgungszelt, dem North zugeteilt war, trafen wir niemanden an. Truhen voller Rüstungen und Waffen waren in der Mitte aufgetürmt, und obwohl Kerzen brannten, kamen sie nicht gegen den dunkelgrauen Winterhimmel und die kalte Luft an. Diese Probleme behob North mit einer kleinen Bewegung seines roten Umhangs.
    Während ich langsam die Knoten der Umhänge öffnete und sie ihm abnahm, bevor sie zu Boden fallen konnten, sprachen wir kein Wort. Ich behandelte die einzelnen Teile der schwarzen Lederrüstung vorsichtig und prüfte sorgsam, ob auch jedes sicher an seinem Platz saß. Wortlos half North mir bei Arm- und Beinschutz. Im Spiegel auf der anderen Seite des Zeltes konnte ich meinen eigenen unglücklichen Gesichtsausdruck sehen. Das letzte Stück der Rüstung befestigte ich mit zitternden Fingern.
    Es war alles viel zu schnell vorbei. Ich sammelte die alten Umhänge auf und faltete sie in der gewohnten Reihenfolge. Dann befestigte ich an ihrer Stelle den neuen Umhang. Das schlechte Licht ließ die leuchtenden Farben stumpf wirken. North wollte meine Hand nehmen, aber ich war noch nicht fertig.
    Ich nahm die Kette von meinem Hals und legte sie ihm um. Das silberne Metall glitt unter seine Rüstung, unsichtbar und doch da.

    »Pass für mich darauf auf, ja?«, sagte ich. Wenn ich ihn nicht beschützen konnte, musste Astraea es für mich tun.
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, lehnte mich gegen seine Brust und drückte meine Lippen auf seine weiche Wange.
    »Als Glücksbringer«, erklärte ich.
    »Danke.«
    Erst als er das Zelt verlassen hatte, rührte ich mich wieder. Schwer ließ ich mich auf die Bank sinken und vergrub das Gesicht in den Händen, während Wut, Liebe und Angst sich in mir bekämpften und ich nicht wusste, was ich zuerst fühlen sollte.
    Der Zelteingang wurde wieder aufgerissen. Ich hob den Kopf und vor mir stand – Wayland North.
    Kaum war ich aufgesprungen, da war er schon mit zwei langen Schritten bei mir.
    »Was …?«
    Er zog mich an sich und nahm mein Gesicht in beide Hände. Und dann küsste er mich, küsste mich so leidenschaftlich, so heftig, dass meine Füße den Boden zu verlassen schienen. Die Welt begann sich zu drehen, und es gab nur noch uns.
    Zu schnell war es vorbei. North seufzte leise, und da war wieder dieses herzzerreißend schüchterne Lächeln, das immer in ausweglosen Situationen ohne Hoffnung zum Vorschein kam.
    »Ich werde eine Menge Glück brauchen«, sagte er.
    Als ich die Hand nach ihm ausstreckte, war er schon fort.
     

     
    Die wenigen Frauen und Kinder, die von den Zauberern zurückgelassen worden waren, legten den Weg zur Stadtbrücke schweigend zurück. Ein- oder zweimal machte jemand den
Versuch, ein Gespräch anzufangen, aber es war niemandem nach Reden zumute. Ich hielt mich ganz hinten am Rand der kleinen Gruppe und betrachtete das Spiel des Lichts auf dem blaugrünen Wasser des Sees.
    Es war geradezu lächerlich, solche Angst zu haben, wenn sie doch gar nicht in den Krieg zogen. Trotzdem war die Abordnung aus Zauberern und Diplomaten in Gefahr. Eine Gefahr, in der wir uns alle befinden würden, wenn die Verhandlungen fehlschlugen.
    »Kleines!«
    Owains riesenhafte Gestalt drängte sich durch die Menschenmenge auf der Brücke. Er winkte mir mit beiden Armen zu und hörte erst damit auf, als er bei mir angekommen war.
    »Ist er weg?«, fragte Owain und zog mich näher an sich, während wir uns einen Weg durch die Menschen, Tiere und Fuhrwerke bahnten. Am Tor standen mehr Wachmänner als sonst, sie hielten uns aber nicht an. Diese Wirkung schien
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