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Aus dem Überall

Aus dem Überall

Titel: Aus dem Überall
Autoren: James Jr. Tiptree
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… äh … Beweis …«
    »Natürlich«, stimmte der Alien zu.
    Sie zeigten ihm alles, und Lukas wurde immer erregter. Als der Alien sein Auge freilegte, hatten Lukas’ Augenbrauen die Frisur erreicht, und er starrte den Alien mit einem Vergrößerungsglas an.
    »Eine Entsprechung zur Zirbeldrüse? Unmöglich, ich kann die Struktur nicht erkennen … ach, und das ist auch kein Haar …« Das Auge rollte vergnügt.
    »Wir sollten zur Sache kommen«, unterbrach Whelan. »Ich möchte endlich sehen, was er zu bieten hat.«
    »Knöpfen Sie sich wieder zu, Joe. Es könnte jemand reinkommen.«
    »Soso, soso!« murmelte Lukas immer wieder, während sich der Alien zusammensetzte. »So! Und wen wollen wir zuerst anrufen?«
    »Nein, nein, nein!« sagten alle gleichzeitig. Der Alien erklärte, daß es eine rein private Sache sei, die er einer kleinen Gruppe anbieten wolle. Er wählte seine Worte sehr vorsichtig und blickte nervös zu Cleever.
    »Leuten, die … ja, wie soll ich sagen? Die eine gewisse altruistische Ader haben und wenig Interesse an Dominanz oder Unterordnung. Leute, die andere nicht ausbeuten?«
    Lukas machte ein verwirrtes Gesicht.
    »Ich sehe in Ihrem Bewußtsein den Begriff ›nichtagonistisches Verhalten‹. Oder lieber nichtmachtorientierte Tendenzen?«
    »Ah«, erwiderte Lukas. »Sie meinen die guten Jungs!«
    Marion kicherte.
    »Das ist ja wundervoll! Sie bieten uns Ihre Hilfe an? Meinen Sie das ernst?«
    »Es ist nur eine Kleinigkeit.« Der Alien suchte in seiner Kleidung herum. »Wirklich nur eine Kleinigkeit. Und nur, wenn Sie …« Er runzelte die Stirn und suchte weiter.
    Lukas sah zur Decke. »Vielleicht eine Hemmung, uns gegenseitig zu zerstören? Wie Lorenz sie – so poetisch und unbegründet – unter Wölfen zu erkennen glaubte? Wir brauchen sie sogar dringender als Wölfe.« Er rieb abwesend eine Tätowierung am Arm. »Ist so etwas möglich?« fragte er drängend. »Können Sie verhindern, daß die Menschen sich gegenseitig zerstören?«
    »Und den Planeten«, ergänzte Whelan.
    Der Alien machte ein bekümmertes Gesicht. »Doktor Lukas, es tut mir leid. Was Sie vorschlagen, ist in gewisser Weise tatsächlich möglich. Aber es würde soviel erfordern – es wäre ein offizielles Projekt, eine große Organisation, Finanzierung, Ermächtigungen, Koordination, Meinungsumfragen … Sie verstehen.«
    Cleever schnaubte.
    »Ja.« Lukas atmete langsam aus. »Ich verstehe.«
    »Es tut mir leid um Ihre Familie«, sagte der Alien leise.
    Lukas fuhr auf. »Können Sie wirklich Gedanken lesen?«
    »Ja, wenn der Gedanke so deutlich ist.«
    »Sie können wohl keine Toten wiedererwecken, oder?« Lukas verzog das Gesicht. »Oh, nein. Verzeihen Sie. Aber lassen Sie uns sehen. Was haben Sie für uns?«
    Der Alien zog ein kleines zerknittertes Päckchen hervor, das sofort zu einer Tasche mit mehreren Fächern anschwoll.
    »Es ist völlig sicher«, sagte der Alien. »Es ist so …«
    Es klopfte an der Tür, und Miss Timmons kam herein.
    »Doktor Lukas, darf ich Ihr Telefon benutzen? Meine Leitung ist tot.«
    »Oh«, sagte der Alien. »Äh … Doktor Lukas …«
    »Also Sie waren das«, sagte Cleever. »Sir, vielleicht sollten Sie das Telegramm erwähnen.«
    »Natürlich. Miss Timmons, es ist nicht nötig, eine Antwort zu schicken. Ich bin sicher, daß die Nachricht ein … äh … ein übler Scherz war.«
    »Ein Scherz«, fügte Cleever grimmig hinzu.
    »Was für ein schrecklicher, gräßlicher …«
    »Jaja, schon gut.« Lukas lächelte sie an. Sie funkelte die Besucher nacheinander an und stolzierte hinaus.
    »Ich sollte es reparieren«, sagte der Alien besorgt.
    »Später. Wir können jetzt keine Anrufe gebrauchen.«
    »Stimmt. Nun, wie ich schon sagte, das Entscheidende ist die Ermüdung.«
    »Ermüdung?« wiederholten sie verständnislos.
    »Ja, die Ermüdung der guten Jungs. Wir haben so eine Redensart: Die guten Jungs kriegen immer den Dreck ab.«
    »Soweit verstehe ich das«, sagte Whelan.
    »Und wir sagen auch, daß die guten Jungs so dumm sind, sich um alles zu kümmern. Sie rackern sich immer ab. Aber sie sind so wenige, und sie werden immer verletzt und stecken Niederlagen ein und kriegen den Dreck ab. Das ist schrecklich anstrengend, und sie werden müde.«
    Er sah sich um. Niemand nickte; es war nicht nötig.
    »Und so verschleißen sie sich und werden schwach. Sie können nicht weitermachen. Vielleicht sterben sie sogar. Die Gesellschaft leidet darunter, und das Böse und Fehlerhafte triumphiert.
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