Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Augenzeugen

Augenzeugen

Titel: Augenzeugen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
Vom Netzwerk:
sechs Meter langer, unglaublich schmaler Gang, an dessen Ende dünnes Licht schimmerte.
    «Da passen wir niemals durch», flüsterte Cox, Panik in der Stimme.
    «Blödsinn!» Toppe drückte entschlossen Rücken, Arme und Hände gegen die Wand und schob sich seitwärts voran. «Hier wird’s ein bisschen breiter.» Cox schnaufte nur.
    Endlich! Ein großes, sehr hohes Gewölbe, mindestens acht Meter breit und zwölf Meter lang, rohe Backsteinwände, gestampfter Lehmboden, hart wie Beton, in der Mitte der meterdicken Decke ein Lichtschacht mit einem engmaschigen Gitter abgedeckt. Es war trocken und kühl. Über die ganze Länge des Raumes verliefen wie Schienen in etwa achtzig Zentimetern Abstand zwei erhöhte Ziegelreihen, an deren Ende eine Grube, über einen Meter tief.
    Da lag sie. Eine Leiche, vollkommen skelettiert, winzig klein.
    Cox schnappte nach Luft.
    «Kannst du …» Toppe musste sich räuspern. «Kannst du Bonhoeffer und van Gemmern anrufen? Sie sollen so schnell wie möglich kommen. Und wir brauchen Licht.»
    «Ja! Und du setzt dich irgendwohin. Du siehst aus wie der Tod.»
    Toppe nickte und ging auf die Knie. Ein so kleiner Schädel, dünne, zerbrechliche Knochen, die Finger gekrümmt. Vor Schmerz? Vor Angst? Er hörte Cox in sein Handy sprechen, stand auf und stolperte zum Lichtschacht. Da war die Stelle an der Wand, wo die Steine rausgebröckelt waren. Hier war das Foto gemacht worden. Er setzte sich, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und schloss die Augen. Escher, er musste Escher anrufen. Zu früh, mahnte er sich selbst, viel zu früh.
    Das Foto, Hellinghaus hatte also wirklich vorgehabt, es wie eine echte Entführung aussehen zu lassen. Aber warum hatte er es nicht abgeschickt? Was war passiert? Und wie hatte er diesen Karton im Keller seiner Wohnung vergessen können? Er musste sehr überstürzt abgetaucht sein.
    Cox hockte sich neben ihn.
    Sie warteten schweigend.
    Van Gemmern kam als Erster. Dürr, wie er war, hatte er keine Probleme, durch den engen Gang zu kommen, aber sie hörten ihn leise fluchen, weil die Stative für die Beleuchtung sich verkantet hatten. Toppe stand auf, um ihm zu helfen. Gemeinsam richteten sie das Licht ein, van Gemmern brachte Markierungsplättchen an und fing an zu fotografieren. Er stellte keine Fragen.
    Anders Bonhoeffer. Er warf einen Blick in die Grube und sah dann Toppe an. «Ist das dein entführtes Mädchen?»
    «Da bin ich mir ganz sicher», antwortete der und stutzte dann. « Mein entführtes Mädchen? Wie meinst du das?»
    Bonhoeffer zuckte nur die Achseln und ließ sich in die Grube hinab. Lange Zeit schaute er nur, dann nahm er sein Diktaphon: «Kindlicher Leichnam, weiblich, vollkommen skelettiert. Frontalnaht am Schädel noch nicht geschlossen, also zum Todeszeitpunkt unter acht Jahre alt. Wirbelkörper mit radiären Rillen, Oberarmknochen ohne Kopfanteil wegen noch nicht vorhandener Knochenkerne, Spuren von Tierfraß an beiden Unterarmen.» Er drückte auf die Stopptaste. «Hilft du mir, Klaus? Miss doch mal die Schienbeinlänge.»
    «13,9.»
    «Tibialänge × 3 + 60, macht 101,7   cm. Das bedeutet, sie muss ungefähr vier Jahre alt gewesen sein.»
    «Todeszeitpunkt?», fragte Toppe.
    «Nach dem Zustand der Leiche und den klimatischen Bedingungen würde ich sagen, vor vier bis fünf Jahren. Habt ihr ein Foto von dem entführten Kind?»
    «Mehrere.»
    «Dann werden wir sie mittels Superimposition sicher identifizieren können.»
    «Todesursache?»
    «Es gibt keinerlei Anzeichen von äußerer Gewalteinwirkung.»
    «Da bleibt noch genug anderes», murmelte Cox. «Verdurstet, vergiftet, erwürgt, erstickt.»
    «Moment mal.» Bonhoeffer beugte sich wieder über das tote Kind. «Sie hat einen Beckenbruch.»
    «Und was bedeutet das?» Toppe kam näher.
    Bonhoeffer richtete sich auf. «Möglicherweise ist sie in diese Grube gestürzt, das reicht für einen Beckenbruch. Dabei kommt es zu einem hohen Blutverlust.»
    «Du denkst, sie ist verblutet?»
    «Wenn ich mir den Boden der Grube so angucke, sieht es ganz danach aus.»
    «Wie lange dauert es, bis man an einem solchen Bruch verblutet ist? Ich meine, irgendwann wird man doch bewusstlos, oder?»
    «Ja», antwortete Bonhoeffer leise. «Bei einem Kind in dem Alter, bis es bewusstlos wird, ich würde sagen, nach anderthalb bis zwei Stunden.»
    Toppe drehte sich abrupt um. «Ich muss hier raus.» Aber sein vibrierendes Handy hielt ihn zurück.
    «Look hier! Wir haben den Kerl. Kommt gerade ganz normal
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher