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Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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größere Selbständigkeit, Ellenbogenfreiheit, erweitern Sie das Tätigkeitsfeld, lockern Sie die Bevormundung, und wir … aber ich versichere Ihnen: wir werden sofort wieder um Bevormundung betteln. Ich kann mir denken, daß Sie vielleicht über diese Behauptung ungehalten sein werden, daß Sie schreien und mit den Füßen stampfen werden: »Reden Sie von sich und von Ihrem Kellerloch-Elend, aber unterstehen Sie sich, ›wir alle‹ zu sagen.« Erlauben Sie, meine Herrschaften, ich will mich durchaus nicht etwa durch dieses ›Wir alle‹ rechtfertigen. Was mich im besonderen angeht, so habe ich in meinem Leben lediglich das bis zum Äußersten gewagt, was Sie nicht einmal bis zur Hälfte gewagt haben, wobei Sie Ihre Feigheit auch noch für Einsicht hielten und sich trösteten, indem Sie sich selbst betrogen. Also stellt sich heraus, daß ich zu guter Letzt noch ›lebendiger‹ bin als Sie, meine Herrschaften. Sehen Sie doch genau hin! Wir wissen ja nicht einmal, wo jetzt das Lebendige lebt, was es ist, wie es heißt! Laßt uns allein, ohne Buch, und wir werden sofort irre, unschlüssig – wissen nicht wohin, an was uns halten, was lieben und was hassen, was achten und was verachten! Es ist uns ja sogar lästig, Mensch zu sein – ein Mensch mit wirklichem eigenen Fleisch und Blut; wir schämen uns dessen, halten es für eine Schmach und trachten lieber danach, irgendwelche phänomenale Allgemeinmenschen zu sein. Wir sind Totgeborene, werden wir doch schon lange nicht mehr von lebendigen Vätern gezeugt, und das gefällt uns immer besser und besser. Wir bekommen Geschmack daran. Bald werden wir so weit sein, daß wir von einer Idee gezeugt werden. Aber genug – ich habe keine Lust mehr, ›aus dem Kellerloch‹ zu schreiben …

    Übrigens sind hier die Aufzeichnungen dieses paradoxen Menschen noch nicht zu Ende. Er konnte es nicht lassen und setzte sie fort. Aber auch uns will scheinen, daß man hier ohne weiteres aufhören kann.

Anhang
    Editorische Notiz
    Dostojewskij verfaßte die Aufzeichnungen aus dem Kellerloch im Herbst 1863 nach seiner zweiten Europareise. Sie erscheinen ab dem Januar 1864 in der von ihm gemeinsam mit seinem Bruder herausgegebenen Zeitschrift Epocha .

Anmerkungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Daten zu Leben und Werk
(Daten, wo nicht anders genannt, nach dem ›alten‹ Julianischen Kalender.)
1821
30. Oktober (11. November neuen Stils): Fjodor Michailowitsch Dostojewskij wird in Moskau als Sohn des Arztes Michail Andrejewitsch Dostojewskij und seiner Frau Maria Fjodorowna, geb. Netschajewa, geboren.

1837
Tod der Mutter. Dostojewskij und sein älterer Bruder Michail übersiedeln zum Bauingenieurstudium nach St. Petersburg.

1839
Ermordung des Vaters auf seinem Landgut durch leibeigene Bauern.

1843
Abschluss des Studiums. Während des Studiums an der Militärakademie intensive Beschäftigung mit Literatur, erste literarische Arbeiten. Übersetzung von Balzacs Eugénie Grandet . Arbeit als Technischer Zeichner im Kriegsministerium.

1844
Austritt aus dem Staatsdienst, um freier Schriftsteller zu werden. Beginn der Arbeit an Arme Leute , weitere Übersetzungen.

1845
Erster Erfolg mit Arme Leute . Bekanntschaft mit den Autoren Iwan Turgenjew und Nikolaj Nekrassow sowie dem Kritiker Wissarion Belinskij.

1846
Buchausgaben von Arme Leute und Der Doppelgänger . Bekanntschaft mit Michael Petraschewski, Alexander Herzen und Apollon Maikow.

1847
Der Roman in neun Briefen und Die Wirtin erscheinen. Dostojewskij wird als überzeugter Sozialist Mitglied des revolutionären Petraschewski-Kreises.

1849
23. April: Aufgrund einer Denunziation wird Dostojewskij wegen angeblich staatsfeindlicher Aktivitäten mit anderen Mitgliedern des Petraschewski-Kreises verhaftet und zum Tode verurteilt. Von Zar Nikolaus I. wird er zu vier Jahren Zwangsarbeit in Sibirien und anschließendem Militärdienst begnadigt. 24. Dezember: Deportation nach Tobolsk.

1850–1854
Festungshaft in Omsk. Aufzeichnungen im Sibirischen Heft . Erstmals wird eine epileptische Krankheit diagnostiziert und registriert. Anfang 1854 wird Dostojewskij als Soldat nach Semipalatinsk abkommandiert. Arbeit an den Aufzeichnungen aus einem Totenhaus .

1856
Beförderung zum Offizier aufgrund von Protektion und wegen einiger patriotischer Gedichte.

1857
6. Februar: Heirat
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