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Aufruf zur Revolte

Aufruf zur Revolte

Titel: Aufruf zur Revolte
Autoren: Konstantin Wecker , Prinz Chaos II.
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deutschnationalen Reflex, das ideelle Gesamtböse in Amerika zu verorten, ist deshalb wenig gewonnen. Der amerikanische Staat spielt eine besonders aggressive Rolle bei der Durchsetzung der Kapitalinteressen, aber die erfüllungshelferischen Bemühungen der EU-Kommission stehen dem nicht wirklich nach.
    Wer aber ist »das Kapital«? Wir leben in einer bis zum Anschlag durchökonomisierten Welt, aber auch hinter jedem multinationalen Konzern und jeder Finanzkrake stehen am Ende konkrete Menschen, so superreich und supermächtig sie auch sind.
    Diese Leute gibt es tatsächlich. Sie sind keine Außerirdischen und mutmaßlich auch keine Illuminaten, die im Erdinneren als Geheimbund wirken. Sie sind mit Körpern ausgestattet, die trotz aller Anstrengungen, sich durch medizinische Eingriffe (von der Schönheitsoperation bis zum genetischen Screening) von der herrschenden Klasse zur herrschenden Rasse zu erheben, den unseren nach wie vor nicht unähnlich sind.
    Damit aber enden wohl die Ähnlichkeiten. Denn heutzutage kontrollieren 147 Konzerne (viele Banken darunter) etwa 50 Prozent der Weltwirtschaft. Diese sind zum Teil auch noch wechselseitig miteinander verflochten. Dies ist das Ergebnis einer Forschungsgruppe an der ETH Zürich.
    Angesichts der Tatsache, dass im Grunde alle Unternehmen wie auch Banken hierarchisch bis autoritär geführt werden, haben wir es mit einer sehr überschaubaren Anzahl von Menschen zu tun, die kaum den deutschen Bundestag füllen würde. Die globalen Top-Unternehmer stellen damit eine demokratisch völlig unkontrollierte Weltregierung ohne jede Legitimation dar!
    Nun rufen wir in diesem Text nicht etwa zum allgemeinen Kampf gegen das Privateigentum auf. Wir können uns allerdings andere und wesentlich bessere Methoden, die Verfügung über materielle Güter zu organisieren vorstellen. Diese anderen, gemeinschaftlichen Methoden werden in ungezählten Projekten weltweit getestet, und entgegen gängiger Klischees über verlotterte »Hippiekommunen« gibt es hier sehr erfolgreiche Modelle und ganze Netzwerke.
    Über alles, was allgemein benötigt wird, sollte unserer Ansicht nach allgemein verfügt werden, beispielsweise über eine angemessene Wohnung, öffentliche Verkehrsmittel sowie über ein gutes Gesundheitssystem.
    Darüber hinaus können wir uns eine solidarische Ökonomie sehr wohl vorstellen, und es kann nicht sein, dass unsere Demokratie auf dem Firmenparkplatz endet.
    Trotzdem sehen wir Unternehmer und Eigentümer nicht per se als Gegner an. Wir kennen fabelhafte Unternehmerpersönlichkeiten mit einem ausgeprägten sozialen Verantwortungsgefühl. Es gibt Öko-Unternehmen, deren Wirken wir nicht anders als segensreich nennen können.
    Diese Haltung mag uns Kritik aus dem Lager der Marxisten einbringen. Einmal, weil Ausbeutung in erster Linie keine moralische Kategorie ist, sondern ein soziales Verhältnis zwischen Menschen, in welchem der eine die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel hat, und die anderen haben sie nicht. Zweitens muss die Tendenz zur Zentralisation und Konzentration des Kapitals in einer auf Konkurrenz basierenden Marktwirtschaft immer aufs Neue zur Herausbildung von Monopolen führen.
    Das sind nun sehr richtige Argumente, denen wir uns nicht verschließen. Wir stehen einer Menschenfreundlichkeit Marke Bill Gates mit feindseliger Skepsis gegenüber, und ziehen Kooperation dem Konkurrenzprinzip als Gestaltungsmechanismus jederzeit vor.
    Unsere Lebenserfahrung zeigt uns aber sehr deutlich, welche Menschen Bündnispartner einer besseren Welt sind und welche nicht. Entscheidend sind für uns die moralischen Qualitäten, die Haltung in konkreten Situationen, Fragen des Charakters, die gewissermaßen philosophische Bilanz eines Lebens.
    Dabei verkennen wir nicht, dass die jeweilige Sozialisation es schwieriger oder leichter machen kann, die weiße Weste des guten Menschen unbeschmutzt über die Lebenszeit zu bringen. Uns geht es aber nicht um weiße Westen. Und wir beide, weder unbefleckt noch in unschuldiges Weiß getaucht, haben weiß Gott keinen Grund, menschliche Schwächen an den Pranger zu stellen.
    Der Sockel der Unfehlbarkeit ist uns schon vor der Zeit zerborsten, Symbolpolitik ist dem Ernst der Lage nicht angemessen, und echte Haltung beweist, wer sich Hände und Weste schmutzig zu machen bereit ist, weil Hilfe Not tut und Rebellion – oder weil er ehrlich verzweifelt und zerbricht an den Grob- und Gemeinheiten seiner Zeit.
    Unser allergrößter Respekt
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