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Aufruf zur Revolte

Aufruf zur Revolte

Titel: Aufruf zur Revolte
Autoren: Konstantin Wecker , Prinz Chaos II.
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man hat die Errichtung dieses Überwachungsregimes durchgewunken?
    Die lächelnde Kanzlerin wusste, wie üblich, von nichts. Und fast möchte man ihr glauben, so überzeugend naiv sieht sie aus, wann immer sie ihre Unwissenheit beteuert. Leider lässt diese Unwissenheit nur zwei Möglichkeiten zu: Entweder unsere Kanzlerin ist eine völlig unfähige Politikerin, oder eine dreiste Lügnerin!
    Aber natürlich wird aus Washington gleich eine Parfümwolke hintendrein geschickt. Obama will jetzt ernst machen mit dem Kampf gegen die Klimakatastrophe, hören wir. Hurra. Die Rettung naht.
    Ach, Barack! Was hast Du uns zu Tränen gerührt mit Deinen wunderschönen Worten, damals, 2008, als Du die Welt wach zu küssen schienst aus den apokalyptischen Alpträumen der Ära Bush. Wie wohltuend war Deine frohe Botschaft von Hoffnung und Veränderung für das verzagte Herz der westlichen Welt. Und wie wahr Du gesprochen hast, wie klug und kämpferisch und mutig und warm! Ein neues Bündnis wolltest Du stiften, für eine bessere, gemeinsame Zukunft. Und es schien fast in jener Nacht im November 2008, als dürfte nunmehr unsereiner ausrufen:
    »Wir sind US-Präsident!«
    Wir sind es nicht, und es graut in uns die Frage, ob Du selbst es recht eigentlich bist. Einen Staat hast Du gefordert und versprochen, der seinen Bürgern vertraut. Jetzt verteidigst Du den Leviathan, gibst den Blitzableiter des Überwachungsstaates, bläst die Trompeten zur Jagd auf die Whistleblower und präsidierst lächelnd über einem Geheimdienstskandal, der Watergate wie eine versehentlich geöffnete Postwurfsendung erscheinen lässt.
    Das neue Geheimdienstzentrum in Utah (Baukosten: zwei Milliarden Dollar), errichtet zur noch effektiveren Kontrolle der weltweiten Kommunikation – es hat Deinen präsidialen Segen. Du, ehemals Professor für Verfassungsrecht, verteidigst den tiefen Staat, diesen unerträglich wuchernden Staat im Staat, die geheimen Gerichtsbeschlüsse, die staatliche Bespitzelung auch von Journalisten, Richtern und Abgeordneten.
    Rette das Weltklima, Barack, und halte weiter deine wunderschönen Reden hinter Panzerglas. Die bundesdeutsche Nomenklatur wird Dir weiter zujubeln, wenn Du »unter Freunden« nur Deine Jacke ablegst, vor dem sommerlichen Brandenburger Tor.
    Aber verwanzt man denn unter Freunden Botschaften und Behörden?
    No Sir! Und wir möchten all den transatlantischen C-Promis, die dem längst verführten Führer der doppelt freien Welt auf dem Pariser Platz zu Berlin mit Klatschiklatsch und Dienstbotensprüchen huldigten, mit der stärksten Waffe antworten, die wir in deutscher Sprache besitzen, mit den Worten des heiligen Karl Kraus:
    Längst müsste man doch sehen, dass diese Typen, aus allem Minus erschaffen, sich verbraucht haben; daß die Attrappen bersten, nicht tragfähig für die Fülle eingeredeten Inhalts; daß das Nichts als Persönlichkeit nicht weiter kann im Bewußtsein der satirischen Kontrolle, wenn Staatsaktion und Hanswurstspiel ineinanderspielen Zweifellos haben alle diese Würdenträger, die zur Schau gestellten und ihre Helfer, das Gefühl, auf Glatteis zu jener Tagesordnung zu schreiten, die nichts als Volksbetrug ist; aber da sie sich an der Hand halten, kommen sie hinüber. Wehe, wenn einer fiele; doch alle zusammen vermögen zu tanzen.
    Karl Kraus, Vor der Walpurgisnacht, gekürzt von Prinz Chaos II.
    Ja, die bundesdeutsche Nomenklatura tanzt die Pavane der Parvenüs, wenn Barack Obama vor dem großen deutschen Tor die Sinfonie der vollendeten Torheiten dirigiert. Aber wer diktiert unserem oratorischen Genie aus Illinois die Partitur?
    Schließlich heißt das Imperium, das uns weltweit zu versklaven droht, nicht einfach »die USA« oder »die EU« oder »die BRD« oder »der Westen«. Wenngleich die staatliche Gestalt des Imperiums oft genug so heißen mag – oder auch: »Russland« oder »China« – müssen wir doch fragen, ob das Zeitalter der Nationalstaaten nicht in der Tat weit hinter uns liegt, während man uns die schlecht aufgeführte Operette des Nationenkampfes mit Unschuldsmiene als Weltpolitik zu präsentieren wagt.
    In der wirklichen Welt regiert das Kapital der Konzerne. Die Anlageform öfter als die Schuhe wechselnd, kennt es keine dauerhafte Bindung an Länder, Völker, Staaten. Wo es sich in der realen Welt behindert sieht, nutzt es heute dieses, morgen jenes staatliche Gebilde für die ewig gleichen Zwecke eines weltweiten Klassenkampfs von oben.
    Auch mit dem schlechten, alten,
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