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Aufgelaufen

Aufgelaufen

Titel: Aufgelaufen
Autoren: Michael Koehn
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nicht – die, die das taten, nannten es Recht und Gesetz und waren stolz darauf.
     
    „Haben Sie, als Sie in der Legion waren, nicht dieses Mädchen M. ve r gewaltigt und getötet? Das Dorf G. mit Brandbomben beschossen und bis auf den letzten Bewohner ausgelöscht?“
    Und sie quälten ihn mit Fragen über die toten Eltern, diesen inhaltlichen Lächerlichkeiten, die sie aus der Puppenstube hervorkramten, dass er ja letztlich den Vater erschlagen, die Mutter zuvor in den Selbstmord getri e ben habe. Ja, zu diesem alten Kummer im neuen Elend wurde von G e richts wegen nicht geschwiegen. Die fragten weiter: „Haben Sie Ihrem Hass einen Namen gegeben, heißt er Gesellschaft? Reden Sie!“
     
    Mittendrin und nicht daneben, und nicht nur, wenn Krieg herrschte, sei in ihm diese Todes- und Gewalterfahrung. Und dass er seinen Hass und die Verachtung auf alles aus einem anderen Ich schöpfe, erklärte der Gu t achter zur Freude der Richter. Und zum Schluss, als der gewaltige Mann mit dem Hammer auf den grüne n Filz schlug, schrien die restlichen Raben hasserfüllt: „Stirb Legionär, stirb gefälligst wie ein Mann, dazu bist du schließlich hergekommen.“
     
    Pierre wusste schon lange, dass das Recht eine Lüge war, eine me n schelnde Göttin, die sich selbst im Unklaren über die eigene Herkunft blieb. Die nichts bewirkte, als überall Hilflosigkeit und das im Himmel wie auf Erden oder wo man sonst wollte.
    „Den Freispruch sollten wir feiern“, schlug der Anwalt Stunden später vor.
    „Ja, mein Guter, lassen Sie uns gehen, lassen wir es uns irgendwo gut gehen, etwas Besseres als den Tod werden wir schon finden!“, erwiderte Pierre. Er meinte es ernst.
     
    Pierre trank nicht mehr. Die damit zwanghaft verbundene dumpfe Freudlosigkeit haftete an ihm wie Hundescheiße in Profilsohlen. Das hatte der Knast aus ihm gemacht, die Irrenanstalt, in der sie ihm lächelnd den Suffschweiß austrockneten, während in ihm die Seele krepierte. Dieses Aufsteigen von schmerzhaften Blasen aus dem Sumpf des Unbewussten und dass er trotzdem allem eher leben wollte als sterben. Das wusste er vorher nicht. Das hätte er nie für möglich gehalten, das sagte ihm der En t zug, dieser in ihm rumpelnde Güterwagen voller irrer Träume, in denen man kämpfend zu sich selber finden musste, ob man wollte oder nicht, nur, um ihm ins Ungewisse zu folgen. In diese Assoziation von Raum mit Blätterbäumen. In Ehrgeiz, Eitelkeit, Geldgier, Egomanie, Unsterblic h keitswahn. Hin zu dem schwankenden Licht im Lebenssturm, in dem g e mordete Ideen am Ast der Traurigkeit klapperten.
     

13
     
     
    Angela war mit der Tasche auf und davon. Da er selber die Sore nicht gezählt hatte, musste es sich gelohnt haben, damit stiften zu gehen und er hatte sich schon gewundert, dass sie ihn in der rostenden Gitterzeit nicht besucht hatte. Nicht mal bei der Gerichtsverhandlung war sie, obwohl er Briefe geschrieben und der Anwalt ihr deswegen die Mailbox vollgequakt hatte. Konnte ja auch nicht klappen, sie soll mit einem ihrer Freier in Br a silien sein, erzählte ihm eine von Angelas Freundinnen, die wie Angela im Hotel „Fünfjahreszeiten“ anschaffte. Diese Hure, Susa hieß sie, leistete sich Pierre ein paar Nächte, hatte er doch etlichen Nachholbedarf.
     
    „Soll ich mit – suchen?“, fragte sie danach.
    „Meinst du, ich bin im Knast blind geworden?“
    „Nee, das nicht, aber Angela hat sich liften lassen. Ne neue Nase und die Augen korrigieren lassen und so ...“
    „Lass mal, ich werd sie am Geruch erkennen. Angst macht st inkend, das übertüncht kein Deo. “
    „Wie du meinst.“ Susa schien enttäuscht, fügte dann nach einer Den k pause an : „Ich spreche aber Portugiesisch ...“
    „Was? Ja? Na denn – auf, auf!“
     
    Mit Susa war es kein herrlich maßloses Liebesdrama, es war eine Zweckverbindung, in der er für Sex und so weiter bezahlte und sie still hielt. Eine Verbindung, wie in jeder Mann-Frau-Beziehung, in der nach einiger Zeit der Rabatt aufgebraucht war und das Beisammensein die let z ten körperlichen und geistigen Reserven fraß. War es soweit, müsste man sich gegenseitig straflos töten können.
     
    Christus stand mit ausgebreiteten Armen auf einem spitzen Berg, Pierre konnte ihn aus dem Flugzeug heraus sehen. Die restlichen Toten lagen unter Bäumen. Lüge und Wahrheit, eine Radierung Goyas, die er in Sp a nien gesehen hatte. Für Susa sollten sich andere Räume öffnen, das hatte sie sich gewünscht.
    „Wenn ich das
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